Zu einer Zeit, als Preußen Deutschland einte, zog sich der bayerische König Ludwig II. von Wittelsbach aus der Politik zurück und finanzierte prächtige Schlösser. Schloss Linderhof sollte ein „kleines Versailles“ werden, das sich an der meisterhaften Architektur des französischen Barock orientiert. Neben der malerischen Lage in den Bergen und der opulenten Fassade beeindruckt das Schloss durch den Einfallsreichtum und den Reichtum seines Parks. Exotische Häuschen, Pavillons und eine künstliche Grotte zeugen vom Reichtum des Herrschers, der den extravaganten Palast aus eigener Tasche bezahlte. Leider führte seine Extravaganz zu politischen Konflikten, die Ludwig mit seinem Leben bezahlte. Interessanterweise war die andere berühmte Investition des Königs das ebenso märchenhafte Schloss Neuschwanstein.
Flucht in den Reichtum
Zu Beginn seiner Regierungszeit versuchte der junge Ludwig II. zumindest teilweise, sich in die bayerische Politik einzubringen. Es zeigte sich jedoch bald, dass der König öffentliche Auftritte und Bankette nicht mochte und seine Zeit am liebsten im stillen Kämmerlein verbrachte. Ludwig war fasziniert von der Kunst, der Oper und der Palastarchitektur. Auf einer Reise nach Frankreich begeisterte er sich für malerische Schlösser und Burgen wie Versailles und Pierrefonds.
Ab den späten 1860er Jahren begann der König, sich mehr und mehr von der Politik des Landes zu isolieren, und sein Staat verlor im Prozess der deutschen Einigung an Boden. Als Otto von Bismarck das Zweite Deutsche Reich einigte, beklagte König Ludwig II. die verlorene Unabhängigkeit seines Landes. Zwar wurde Bayern Autonomie und ein Heer garantiert, aber Berlin war für die nationalen Angelegenheiten zuständig. Als die Politik Bayerns nicht in die richtige Richtung ging, investierte der König riesige Summen in den Bau neuer Schlösser, die vor Gold nur so trieften.
Der Olymp an der Wand
Im Jahr 1874 begann der Hofarchitekt Georg von Dollmann mit dem Umbau eines kleinen königlichen Anwesens im Süden des Landes. Interessanterweise war es Ludwig, der bereits 1868 Ideen für sein „kleines Versailles“ skizzierte, wobei der Entwurf jedes Jahr geändert wurde. Der König erwog sogar einen riesigen Palastkomplex, der an ein byzantinisches Anwesen erinnern sollte. Letztendlich fiel die Wahl auf eine Opulenz im Stil des Neo-Rokoko mit einer immensen Menge an Skulpturen und Dekoration. Interessanterweise stammt der Name Linderhof von einer nahe gelegenen Linde, die 300 Jahre lang auf dem Gelände wuchs.
Der Risalit des Schlosses ist in drei Segmente unterteilt. Von unten ragen geschnitzte Konsolen in Form von Atlantern aus den rustizierten Wänden hervor, über deren Köpfen sich ein Balkon befindet. Goldene Geländer zeigen königliche Symbole. Wenn man weiter nach unten blickt, sieht man eine faszinierende Ansammlung verschiedener Skulpturen, von geflügelten Engeln und griechischen Göttinnen bis hin zu den allgegenwärtigen Putten. Die Skulpturen befinden sich in Nischen, auf Säulen und vor allem im Inneren des geschnitzten Giebels. Interessant ist, dass die Engel im Tympanon das Wappen der Wittelsbacher, der Herrscher von Bayern, umgeben.
An der Spitze des Gebäudes befindet sich eine Skulptur, die Atlas darstellt, der die Weltkugel auf seinem Rücken trägt, um das Gewicht und die Größe der Macht zu symbolisieren. Natürlich sind die aufgeführten Skulpturen nicht zufällig, sondern symbolisieren jeweils unterschiedliche Machtbereiche wie Wirtschaft, Landwirtschaft oder Wissenschaft. Darüber hinaus sind die Putten Symbole für Musik, Architektur und Poesie. Die Frau, die in der Mitte der Fassade steht, ist dagegen die römische Siegesgöttin Victoria.

Bayerisches Versailles
Das allgegenwärtige Gold trieft aus dem Inneren. Der Spiegelsaal ist ein Beispiel für die Extravaganz des Königs. Dollmann entwarf einen Raum, dessen Wände so sehr mit Goldornamenten ausgekleidet sind, dass der Saal aus massivem Gold zu bestehen scheint. Außerdem lassen die Spiegel den Raum endlos erscheinen. Die anderen Räume haben kein bestimmtes Thema, und es fällt eher die Anhäufung von symbolischen, reichen Dekorationen auf. Die Decken sind mit Fresken verziert, die erotische Szenen und königliche Motive darstellen. Verweise auf Versailles und Ludwig XIV., das Idol des bayerischen Königs, sind an vielen Stellen zu finden. Ludwig II. nannte sich selbst den „König des Mondes“, eine Anspielung auf den französischen „Sonnenkönig“.
Das Dekor besteht nicht nur aus Gold, sondern auch aus anderen Reichtümern. Die Platten der Möbel sind aus Lapislazuli und Malachit gefertigt. Straußenfedern schmücken die Teppiche und den Baldachin über dem königlichen Bett. Und natürlich gab es auch die Kristalllüster, deren Arme aus Elfenbein gefertigt sind. Die Aufzählung solcher Verzierungen ließe sich endlos fortsetzen, aber der Palast bietet auch einige recht innovative Lösungen. Im Speisesaal aß der König allein, und die Diener brauchten den nächsten Gang nicht zu bringen, dank eines Mechanismus, der einen Teil des Tisches in die unter dem Speisesaal liegende Küche absenkte. Der König stellte sich oft vor, dass Marie Antoinette und Ludwig XIV. neben ihm saßen.

Romantische Höhle
Obwohl die teuren Innenräume des Palastes begeistern, ist das interessanteste Element des Anwesens von Ludwig II. der malerische Park mit seinen zahlreichen Pavillons und Cottages. Französische Gärten mischen sich hier mit der Exotik englischer Parks. Das Maurische Haus erinnert an den afrikanischen, arabischen und indischen Reichtum, der sich vor allem in seinem Inneren widerspiegelt. Unter der goldenen Kuppel befindet sich ein farbenfroher Raum, der an die Paläste der muslimischen Herrscher Indiens erinnert. Im hinteren Teil ist ein Thron mit Pfauenfiguren aufgestellt, deren Federn in Dutzenden von Farben schillern. Pfauenfedern sind das Hauptmotiv des Dekors.
Im Gegensatz dazu ist die Fassade des Marokkanischen Hauses viel schlichter, aber das Innere entschädigt für die Strenge der Fassade. Im Inneren herrscht arabische Kunst vor, darunter Mukarnas, wiederholte Arabesken und arabische Inschriften. Interessanterweise wurden beide exotischen Gebäude von Designern von Weltausstellungen erworben.
Faszinierend sind auch die Pavillons und Tempel auf den Hügeln. Der kleine Venus-Tempel ist ein Klassiker der Parkarchitektur, während der Musikpavillon auf die größte Leidenschaft Ludwigs II. verweist. Der König war der Schutzpatron von Richard Wagner, dem musikalischen Meister der Romantik. Viele der Gebäude im Park beziehen sich auf die Themen der Opern des Komponisten. Hölzerne Berghütten und die Venusgrotte sind die Schauplätze bestimmter Opernhandlungen.
Das interessanteste und zugleich teuerste Bauwerk des gesamten Projekts ist die bereits erwähnte Grotte. Die künstlich errichtete Grotte besteht aus einem Metallskelett, das mit Segeltuch ausgekleidet und mit Zement überzogen ist. Die Gemälde an den Wänden stellen Szenen aus Wagners Oper „Tannhäuser“ dar. In der Grotte wurde ein See angelegt, in dem man auf einem Kahn schwimmen kann, der einer Muschel ähnelt. Der Raum ist nicht nur schön, sondern auch hochtechnisiert. Der König bestand darauf, dass die rote und blaue Beleuchtung in der Grotte elektrisch sein sollte, was den Bau eines der ersten Kraftwerke in Bayern erforderte. Eine solche Beleuchtung wurde auch im Marokkanischen Haus installiert. Außerdem wurde die Grotte mit einer Wellenmaschine ausgestattet, damit der König in einem Kahn auf dem rauen See schwimmen konnte.

Schönheit um den Preis des Lebens
Der extravagante Lebensstil gefiel den bayerischen Politikern nicht, die den König für einen unheilvollen Herrscher hielten. Durch eine Verschwörung gelang es den Politikern, einen Psychiater dazu zu bringen, ein negatives Gutachten über Ludwigs geistige Gesundheit abzugeben. Der Versuch, ihn zu entmachten, endete mit dem Tod des Königs im Starnberger See. Die Umstände seines Todes sind unklar, da der König einmal mit dem Psychiater spazieren ging und ihre Leichen nach einiger Zeit im seichten Wasser gefunden wurden. Bis heute ist auch unklar, ob „Ludwig der Verrückte“ tatsächlich schizophren oder paranoid war, sicher ist jedoch, dass der Psychiater den Herrscher in eine psychiatrische Klinik einweisen wollte. Ludwig II. überlebte nur 41 Jahre.
Das bayerische Versailles sollte bescheidener sein als das berühmte Schloss Neuschwanstein oder Schloss Herrenchiemsee. Linderhof machte seine geringere Größe durch seine Opulenz und Kreativität wieder wett. Es war auch das einzige Schloss, das der König zu seinen Lebzeiten fertig stellte, was es natürlich zu Ludwigs Lieblingsresidenz machte. Die prächtigen goldenen Innenräume und die Operngrotte sind selbst für den bayerischen König die perfekte Hommage an eine längst vergangene Zeit. All diese Faktoren machen Linderhof zu einem der schönsten Schlösser der Welt.
Quelle: Grainau
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