Die erste Hauptstadt des chinesischen Kaiserreichs beherbergt ein beeindruckendes Anwesen, das von Thomas Heatherwick entworfen wurde. Xi’an ist vor allem für seine berühmte Terrakotta-Armee bekannt, die aus mehr als achttausend Statuen besteht. Aus diesem Grund wollten die Architekten von Heatherwick Studio das antike Erbe der Stadt durch Bezüge zu historischen Tempeln und Keramiken feiern. Das CCBD (Central Culture Business District) besteht aus offenen Einzelhandelsflächen, Büros, Wohnungen und einer zentral gelegenen Terrasse in Form eines riesigen Baumes.
Der erste Kaiser
221 v. Chr. ist ein wichtiges Datum in der chinesischen Geschichte. Damals wurde Qin Shi Huang zum ersten Kaiser von Qin und Xi’an zur Hauptstadt seines Staates ernannt. Nach dem Tod des Kaisers errichteten die Chinesen ein unterirdisches Mausoleum, in dem 8.000 Terrakotta-Figuren verewigt wurden, die Soldaten darstellen. Die Tonsoldaten sollten den Kaiser im Jenseits beschützen. In den folgenden Jahrhunderten wurden beeindruckende taoistische und buddhistische Tempel, Pavillons und Pagoden gebaut, die die Stadt überragen. All diese Gebäude sind durch die traditionelle chinesische Keramik und die charakteristischen Walmdächer miteinander verbunden.
Nur wenige Städte können eine solche Geschichte vorweisen. Daher hatten die Architekten von Heatherwick Studio die schwierige Aufgabe, den neuen Stadtteil in den traditionellen Charakter der Dreizehn-Millionen-Stadt Xi’an einzupassen. Dieser Punkt ist auch wegen der bestehenden Außenbezirke des Zentrums wichtig, die in den vergangenen Jahrzehnten mit Wohnblocks und Autobahnen bebaut wurden. Die Architekten wollten den Bewohnern einen modernen und einzigartigen Ort bieten, der im Gegensatz zu den einfachen Plattenbauten des vergangenen Jahrhunderts steht.
Kaskaden der Tradition
Wenn man den Central Cultural and Business District (CCBD) betritt, fällt der Blick auf eine Kaskade von grünen Terrassen. Von einem großen gepflasterten Platz aus erheben sich die Glaswände der Gebäude, in denen Geschäftsräume, Büros und Wohnungen untergebracht sind. Das Glas ist von großen Säulen umhüllt, die mit Keramikfliesen bedeckt sind. Die faszinierenden Muster und unterschiedlichen Oberflächen der glasierten Kacheln sind eine Anspielung auf die alte Geschichte der Stadt. Früher bedeckten schwere Keramikfliesen die Dächer von Tempeln. Die mehrschichtige Beschichtung der Kacheln lädt dazu ein, die einzigartigen Formen der Keramik zu ertasten. Insgesamt wurden mehr als 100.000 Einzelstücke für den Bau verwendet.
Die Formen des Viertels sollen an die Tradition anknüpfen. Die Kanten der Dächer haben die Form von Bögen, eine direkte Anspielung auf chinesische Vordächer. Traditionelle Dächer waren so gestaltet, dass Regen und Schnee so gut wie möglich abfließen konnten. Ähnliche Formen sind auch in Heatherwicks anderem Projekt, den Azabudai Hills in Tokio, zu sehen, über das wir HIER geschrieben haben.
Ein weiteres Element des chinesischen Daches ist die Erhöhung des Firstbogens oder der Giebelkante. Das Viertel besteht aus Kaskaden von Dächern, auf denen grüne Terrassen mit Wegen und Gärten angelegt wurden. Interessanterweise bilden die miteinander verbundenen Gebäude ein Podium, von dem aus sich vier Wolkenkratzer erheben, aber sie sind hier nicht das Wichtigste.
Zweige der Seidenstraße
Alle Dächer zeigen mit ihren Krümmungen auf den „Baum“, der in der Mitte des Hauptplatzes steht. Die 57 m hohe Terrasse besteht aus 56 „Ginkgoblättern“. Dieser Baum ist kein Zufall, denn es handelt sich um den 1400 Jahre alten Ginkgobaum, der im wichtigsten buddhistischen Tempel von Xi’an – Guanyin – wächst. Ebenso wenig zufällig ist die Anzahl der einzelnen Plattformen. Die Terrassen sind in sieben Abschnitte unterteilt, die die sieben Biome symbolisieren, durch die die Seidenstraße führte. Historisch gesehen begann in Xi’an das alte Straßensystem, das Europa mit dem fernen Asien verband. In Form von Klettergärten wird an die verschiedenen Länder der Route erinnert.
Bei der Gestaltung des 155.000 Quadratmeter großen Viertels haben die Architekten auf die kleinsten Details geachtet. Die Keramikknöpfe für die Aufzüge oder die feinen Rillen in den Handläufen im Inneren des Podiums tragen zur Kohärenz der symbolischen Motive bei. Gerade solche Details machten das Projekt zu einer großen Herausforderung für die Architekten. Es erwies sich als schwierig, einen Hersteller zu finden, der bereit war, eine große Anzahl einzigartiger Fliesen zu produzieren, und die zum Zeitpunkt der Planung herrschende Pandemie beeinträchtigte die Logistik des Projekts.
Foto von Luis Sacristian Murga
Stadtteil in menschlichem Maßstab
Das CCBD ist ein modernes Viertel, das mit Sicherheit zu einer weiteren Attraktion der historischen Stadt werden wird. Das Design ist nicht nur optisch und haptisch ansprechend, sondern bietet auch funktionale Büro-, Wohn- und Geschäftsräume. Theoretisch könnte man einen großen Teil des CCBD als großes Einkaufszentrum bezeichnen. Betrachtet man jedoch die Fülle der Details und die authentische Ästhetik des Viertels, so muss man zugeben, dass Heatherwicks Entwurf eine Innovation bei der Gestaltung von Geschäftsräumen darstellt. Vor allem aber ist es den Architekten gelungen, all dies unter Beibehaltung eines freundlichen und menschlichen Maßstabs zu realisieren.
Fotoquelle: Heatherwick Studio
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