Maj 1973, ulica Grzybowska. Po lewej stoi nieistniejąca dziś kamienica o numerze 24. Źródło: Helmut Lauterbach

Die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą: eine kommunistische Architekturrevolution im Herzen von Warschau

Die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą ist eine der bekanntesten Warschauer Wohnsiedlungen aus der Zeit des Kommunismus. Sie wurde zwischen 1965 und 1972 im Warschauer Stadtteil Mirow gebaut, teilweise im Bezirk Wola und teilweise im Stadtzentrum. Ihr Name bezieht sich auf das historische Żelazna Brama (Eisernes Tor), das einst den Eingang zum Sächsischen Garten bildete. Das Tor, das heute nicht mehr existiert, war ein wichtiges Wahrzeichen der Stadt und befand sich an der Sächsischen Achse, wo sich heute ein Grüngürtel zwischen den Fahrbahnen der Marszałkowska-Straße befindet.

Entstehung des Projekts und architektonische Grundsätze

Zwischen 1713 und 1748 wurde das Gebiet der heutigen Wohnsiedlung in die breit angelegten Stadtpläne der Sächsischen Achse einbezogen. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das Gebiet intensiv und wurde rasch bebaut. Eines der wichtigsten Projekte war der Bau von zwei Markthallen zwischen 1899 und 1901, die auf dem Gelände der ehemaligen Mirowski-Kaserne errichtet wurden. Der Platz des Eisernen Tors, der als Marktplatz diente, gab der weiteren Entwicklung des 20. Jahrhunderts seinen Namen. Der Zweite Weltkrieg brachte dramatische Veränderungen mit sich – ein Großteil der Bebauung in diesem Gebiet wurde zerstört oder brannte nieder. Dies gab den Architekten und Stadtplanern der Nachkriegszeit die Möglichkeit, ihre großen Pläne zu verwirklichen.

Bau einer Wohnsiedlung, Ende der 1960er Jahre Quelle: „Warschau – über die Zerstörung und den Wiederaufbau der Stadt“ – Alfred Ciborowski, Interpress, Warschau 1969

Osiedle Za Żelazną Bramą

Der Entwurf der Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą war die Antwort auf einen Wettbewerb, der 1961 vom Verband Polnischer Architekten (SARP) ausgeschrieben worden war. Die Verfasser des Projekts waren junge Absolventen der Fakultät für Architektur an der Technischen Universität Warschau: Jerzy Czyż, Jan Furman, Andrzej Skopiński, Jerzy Józefowicz, Marek Bieniewski und Stanisław Furman. Ihr Projekt wurde als Siegerprojekt ausgewählt, und die konzeptionellen Annahmen sollten die Art und Weise, wie in Polen über den Wohnungsbau nachgedacht wird, revolutionieren.

Das Gebiet der heutigen Wohnsiedlung im Jahr 1935 und 2023. Foto: mapa.um.warszawa.pl

Der ursprüngliche Plan sah den Bau von 11 langen Blöcken mit 11 Stockwerken und mehreren niedrigeren, mehrstöckigen Gebäuden vor. Der Raum zwischen den Gebäuden sollte mit Grünflächen sowie Dienstleistungs- und Einzelhandelspavillons gefüllt werden, und der Mittelpunkt der Siedlung sollte ein breiter Fußgängerboulevard sein. Ein charakteristisches Merkmal der Entwürfe war die Vielfalt der Gebäudedimensionen und ihre geschickte Einbindung in den Kontext der modernistischen Gebäude.

Politische Veränderungen und behördlicher Druck

Von der Auswahl des Entwurfs bis zum Baubeginn im Jahr 1965 wurden diese Annahmen jedoch unter dem Druck der Parteibehörden drastisch geändert. Die kommunistische Regierung wollte die Einwohnerzahl der Siedlung erhöhen und zwang die Anzahl der Blöcke und deren Höhe auf 16 Stockwerke zu erhöhen. Auch der Bau kleinerer Gebäude wurde aufgegeben, und die Zahl der geplanten Wohnungen wurde erhöht, um den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung Warschaus gerecht zu werden. Infolge dieser Änderungen sollten rund 18 000 Menschen in der Siedlung leben. Eine der umstrittensten Entscheidungen war der Verzicht auf Balkone, um die Baukosten zu senken.

Mai 1973 und September 2024, der heutige UN-Kreisverkehr. Quelle: Helmut Lauterbach und whiteMAD/Mateusz Markowski

Stadtgestaltung und Architektur

Die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą wurde auf einer Fläche von 33 Hektar zwischen dem Sächsischen Garten und den Straßen Królewska, Twarda, Prosta, Żelazna und Elektoralna angelegt. Es besteht aus 19 langen Blöcken mit 16 Stockwerken und jeweils zwischen 300 und 420 Wohnungen. Die Blöcke wurden so angeordnet, dass ihre langen Fassaden nach Osten und Westen und ihre schmalen Giebel nach Norden und Süden ausgerichtet sind. Mit dieser Anordnung sollte eine bessere Besonnung der Wohnungen erreicht werden, was jedoch nicht immer den gewünschten Effekt hatte.



Mai 1973, Grzybowska-Straße. Links steht das inzwischen verfallene Mietshaus mit der Nummer 24. Quelle: Helmut Lauterbach

Wohnungen – Typen, Grundriss und Standard

Eines der wichtigsten Merkmale der Siedlung war die Vielfalt der Wohnungen. In den Gebäuden mit 420 Wohneinheiten gab es 210 M2-Wohnungen mit je 27 m² und die gleiche Anzahl M3-Wohnungen mit 39 m². In den Gebäuden mit 300 Wohneinheiten gab es 240 Wohnungen mit je 48 m² (M4). (M4) und 60 Wohnungen mit je 57 m². (M5). Es ist erwähnenswert, dass viele der Wohnungen so genannte dunkle Küchen ohne Fenster hatten, was einer der am häufigsten kritisierten Aspekte des Projekts war.

Die ursprünglichen Wohnungen, vor allem die in den 1960er Jahren fertig gestellten, wiesen einen für die damalige Zeit hohen Ausbaustandard auf. Damals wurden Parkettböden verwendet, was im kommunistischen Bauwesen selten war. Jeder Korridor und jede Wohnung wurde mit so genannten französischen Fenstern ausgestattet – hohe, raumhohe Verglasungen, die die Innenräume optisch vergrößern und mehr Licht hereinlassen. Trotz dieser modernen Lösungen wurde die Wohnsiedlung jedoch wegen ihrer beengten, schlecht geplanten Räume kritisiert.

Ende der 1970er Jahre und heute, das Untergeschoss des Wohnblocks in der Grzybowska-Straße 9. Quelle: NAC – Nationales Digitales Archiv www.nac.gov.pl/ und whiteMAD/Mateusz Markowski

Innovative Gebäudetechnik

Entgegen der landläufigen Meinung wurde die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą nicht aus vorgefertigten Elementen einer großen Platte gebaut, sondern aus monolithisch gegossenen Betonplatten, was damals eine innovative Lösung war. Die Konstruktion der Gebäude war haltbarer und robuster, und die „Stolica“-Bautechnologie, die bereits beim Bau der Prototypensiedlung eingesetzt wurde (wir haben HIER darüber berichtet), ermöglichte eine flexible Gestaltung des Raums der Wohnungen. Hier wurde eine spezielle Schalung verwendet, die beim Eingießen des Betons eine dauerhafte und stabile Struktur ergibt. Jedes Gebäude wurde auf Stahlbetonpfeilern, auf Französisch Pilotis genannt, nach den Prinzipien des berühmtesten modernistischen Architekten Le Corbusier errichtet.

„Spektakulär ist die Eingangshalle des großstöckigen Blocks in der Marchlewskiego-Allee 5/9, der sich in der Gruppe der Wohngebäude auszeichnet.“ – das Foto stammt aus der Wochenzeitung Stolica Nr. 04 (1207) 24.01.1971

Soziale Bedeutung und gemeinsame Funktionen

Die Architekten legten großen Wert auf den sozialen Aspekt der Siedlung. In den Erdgeschossen der Gebäude wurden großzügige Foyers angelegt, die als Treffpunkte für die Bewohner dienen sollten. Sie sollten für Versammlungen, Ausstellungen oder kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. In einigen der Gebäude werden diese Räume heute noch wie ursprünglich vorgesehen genutzt, in anderen wurden sie umgebaut und in die Nachbarwohnungen integriert. Diese Räume spielten eine wichtige Rolle bei der Integration der Gemeinschaft, was ein wichtiger Bestandteil der Idee der Siedlung als Ort des gemeinschaftlichen Lebens war.

Die Fassade eines der Wohnblocks. Man kann die in den 1990er Jahren zugemauerten Luxusdächer erkennen. Foto: Ludowa Spółdzielnia Wydawnicza i whiteMAD/Mateusz Markowski



Modernisierungen und Veränderungen nach 1990

Ab den 1990er Jahren begann die intensive Bebauung der Siedlung mit sukzessiven Bauten. Zum Teil handelt es sich dabei um Maßnahmen, die gegen das ursprüngliche städtebauliche Konzept verstoßen, zum Teil wird eine bewusste Reserve für künftige Bauten geschaffen, wie etwa im Bereich der Johannes-Paul-II-Allee.

Gleichzeitig wurde auch der Prozess der Modernisierung der Wohnsiedlung eingeleitet, der bis heute andauert. Aufgrund der begrenzten Mittel erfolgt die Modernisierung in Etappen. Sanitäranlagen, Fenster (oft ohne Berücksichtigung der ursprünglichen Unterteilung) und einige Aufzüge wurden ersetzt. Es wurden Gegensprechanlagen installiert, die Gebäude isoliert und eine Reihe von Änderungen an der Fassadengestaltung vorgenommen, wie z. B. das Zumauern der Lichtdächer, die früher für Licht in den Fluren sorgten. Auch das Aussehen der Schaufenster im Erdgeschoss wurde verändert. Diese Änderungen sollten zwar die Lebensbedingungen der Bewohner verbessern, wurden aber oft kritisiert, weil sie die ursprüngliche modernistische Komposition der Gebäude zerstörten.

Adrian Grycuk, CC BY-SA 3.0 PL, via Wikimedia Commons

Kontroverse und architektonisches Erbe

Die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą (Hinter dem Eisernen Tor) hat von Anfang an extreme Emotionen geweckt. Einerseits war sie ein Symbol der Modernität und der architektonischen Ambitionen des kommunistischen Regimes, andererseits verkörperte sie viele der Mängel jener Zeit: kleine, beengte Wohnungen, fehlende Balkone, dunkle Küchen. Auch die chaotische Anordnung der Gebäude, die das frühere Straßenraster nicht berücksichtigte, wurde kritisiert, ebenso wie der niedrige Ausführungsstandard vieler Elemente. In den 1990er Jahren erlangte die Siedlung den Ruf einer „Schlafstadt Warschaus“, in der Anonymität und fehlendes Gemeinschaftsgefühl an der Tagesordnung waren.

Im Nachhinein wird die Siedlung Za Żelazną Bramą jedoch von einigen Architekturkritikern als ein interessantes Beispiel für einen modernistischen Wohnbau angesehen, der sich gut in den Lebensrhythmus des heutigen Warschaus einfügt. Dank ihrer Nähe zum Stadtzentrum ist die Siedlung zu einem attraktiven Wohnort geworden, insbesondere für junge Menschen und Studenten. Heute wird sie auch von einer großen asiatischen Gemeinschaft bewohnt, zu der auch Einwanderer aus Vietnam gehören.

Siedlung Za Żelazną Bramą, Blick von der Kreuzung der Marszałkowska- und Królewska-Straße – 1970er Jahre. Foto: Leszek Wysznacki, „Warschau von der Befreiung bis zu unseren Tagen“, Verlag für Sport und Tourismus, Warschau 1977, S. 217 und Google Earth

Die zeitgenössische Bedeutung der

Die Wohnsiedlung Za Żelazną Bramą (Hinter dem Eisernen Tor) ist ein faszinierendes Beispiel für die Architektur der 1960er und 1970er Jahre und zeigt nicht nur die Ambitionen und Grenzen der kommunistischen Stadtplanung, sondern auch die dynamischen Veränderungen, die in den letzten Jahrzehnten im Stadtraum von Warschau stattgefunden haben. Trotz zahlreicher Kontroversen und Modernisierungen ist die Siedlung nach wie vor ein wichtiges Element der Warschauer Landschaft, ein Teil der Stadtgeschichte und ein wichtiger Bezugspunkt für die Debatte über zeitgenössische Stadtarchitektur.

Quelle: cargocollective.com, tubylotustalo.pl

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