Der so genannte Platz der fünf Ecken war vor 1939 einer der belebtesten Orte Warschaus. An der Gabelung der Zgoda-, Szpitalna- und Chmielna-Straße drängten sich Fußgänger, Fahrzeuge, zahlreiche Geschäfte, Cafés und Kaufhäuser. Das Herzstück war das Eckhaus, das jahrzehntelang ein Symbol für die Dynamik und Entwicklung der Hauptstadt war.
Das Mietshaus wurde zwischen 1878 und 1880 nach einem Entwurf von Franciszek Brauman erbaut. Ursprünglich handelte es sich um ein zweistöckiges Gebäude im Neorenaissancestil mit einem Mansardendach, unter dem der Maler Aleksander Gierymski eine Zeit lang sein Atelier hatte. Im Jahr 1900 führten die neuen Eigentümer, das Ehepaar Gronowski, einen Umbau durch, bei dem weitere Stockwerke aufgesetzt wurden.
Der Platz und das Mietshaus im Jahr 1933. Quelle: Museum von Warschau
Charakteristisch für das Mietshaus waren die beiden längeren Fassaden an der Zgoda- und der Szpitalna-Straße sowie die kürzere Fassade an der Chmielna-Straße und dem sogenannten Pięciu-Rogów-Platz. Im Erdgeschoss des Gebäudes herrschte jahrelang reges Treiben, nicht zuletzt wegen der legendären Schweizer Konditorei, die 1906 von Karl Briesemeister eröffnet wurde. Das auch als „Konditorei an den fünf Ecken“ bekannte Lokal war bei den Warschauerinnen und Warschauern beliebt, darunter auch bei den Journalisten der in den oberen Etagen des Gebäudes ansässigen Redaktionen wie „Le Messager Polonais“, „Gazeta Polska“ und „Dzień Polski“.
Das Eckgebäude und der Platz in den Jahren 1925 und 2024. Quelle: Digitale Nationalbibliothek Polona und whiteMAD/Mateusz Markowski
Das Mietshaus war auch eine hervorragende Werbefläche. Im Jahr 1928 wurde eine große Leuchtreklame für Chevrolet auf dem Dach angebracht und 1936 eine Leuchtreklame für „Cognac Montbel Marteau“, auf der eine animierte Flasche abgebildet war, die sich in ein Glas entleerte. Im September 1939 wurde das Stadthaus bei der Bombardierung der Hauptstadt schwer beschädigt. Die letzten Stockwerke stürzten ein und die Innenräume, einschließlich der Patisserie, brannten aus. Während der Okkupation wurde das Gebäude bis auf die Höhe des zweiten Stocks abgerissen und seine Überreste wurden dann vollständig entfernt.
Das Mietshaus im März 1939 und derselbe Ort heute. Quelle: Staatsarchiv in Warschau und whiteMAD/Mateusz Markowski
Im Jahr 1961 entstand an der Stelle des ehemaligen Mietshauses das moderne, elfstöckige Gästehaus „Zgoda“, das von Zygmunt Stępiński und Andrzej Ilecki entworfen wurde. Es zeichnete sich durch seine helle, weiße Fassade mit 45 kubischen Balkonen aus, die sich perfekt in die architektonische Abfolge der Chmielna-Straße einfügte. Das Erdgeschoss des Gebäudes knüpfte an seine Vorkriegsgeschichte an – hier kehrte die Schweizer Patisserie zurück, die in ein Café umgewandelt wurde. Das Gästehaus bot 69 Wohneinheiten, und die zentral gelegenen Treppenhäuser und Hochgeschwindigkeitsaufzüge sorgten für moderne Funktionalität.
Der so genannte Five Corners Square vor und nach der jüngsten Modernisierung. Foto von Adrian Grycuk, CC BY-SA 3.0 PL, über Wikimedia Commons und whiteMAD/Mateusz Markowski
Das Gästehaus „Zgoda“ ist bis heute ein wichtiges architektonisches Element des sogenannten Fünf-Ecken-Platzes. Seine ästhetisch ansprechende Fassade wirkt wie eine Kulisse, die ihre Umgebung nicht dominiert, sondern sich harmonisch in das Stadtbild einfügt. Obwohl der Ausbau des Zwischengeschosses durch das Restaurant Sphinx die Leichtigkeit des Volumens beeinträchtigt hat, ist das Gebäude immer noch ein Beispiel für die gut durchdachte, moderne Architektur der 1960er Jahre.
Bei der kürzlich erfolgten Renovierung des Platzes wurde der ehemalige Verlauf der Mauern des nicht mehr existierenden Gebäudes auf dem Boden markiert, um so an eines der erkennbarsten und ikonischsten Gebäude der Vorkriegsstadt zu erinnern.
Quelle: miastarytm.pl, cargocollective.com
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