Schneelawinen sind eines der gefährlichsten Naturphänomene in Hochgebirgsregionen. Die sich schnell bewegenden Schnee-, Eis- und Geröllmassen können enorme Schäden verursachen und stellen nicht nur eine Gefahr für Bergsteiger, sondern auch für die Infrastruktur dar. Sie entstehen vor allem durch starke Schneefälle, steigende Temperaturen oder seismische Erschütterungen. Im Laufe der Jahrhunderte haben Lawinen viele Schutzhütten, Siedlungen und Straßen zerstört. Ein Beispiel für ihre zerstörerische Kraft ist die italienische Stettinerhütte, die 2014 von einer Lawine schwer beschädigt wurde und aufwändig wieder aufgebaut werden musste.
Stettinerhütte – Geschichte und Bedeutung
Die Stettinerhütte liegt auf 2875 m Höhe und ist ein wichtiger Ausgangspunkt für Bergsteiger, die die höchsten Gipfel Südtirols erkunden. Die erste Version wurde zwischen 1895 und 1897 erbaut und in der Folgezeit modernisiert, um sie den veränderten Bedingungen und den Bedürfnissen der Bergsteiger anzupassen. Der letzte Umbau fand 1992 statt, doch im Februar 2014 wurde die Hütte von einer Lawine zerstört. Als Reaktion auf dieses Ereignis wurde ein internationaler Architekturwettbewerb ausgeschrieben, um einen Entwurf für ein neues Gebäude auszuwählen, das zukünftigen Bedrohungen standhalten würde.
Konzept und architektonische Inspiration für das Chalet
Das Projekt des Architekturbüros AREA ARCHITETTI ASSOCIATI, Roberto Pauro und Andrea Fregoni, basiert auf drei Grundannahmen. Das Gebäude sollte zu einem erkennbaren Punkt in der Landschaft werden, der Sicherheit und einen gemütlichen Unterschlupf symbolisiert. Darüber hinaus sollte es sich in Form, Material und Farbe harmonisch in die Umgebung einfügen. Ein Schlüsselelement war auch der Schutz vor Lawinen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat das Bauwerk unregelmäßige, dynamische Formen angenommen, die von den umliegenden Felsen inspiriert sind. Die Form nimmt Bezug auf die Granatkristalle, ein für die Region charakteristisches Mineral, und der für den Bau verwendete rote Beton harmoniert mit den lokalen Gesteinen, die reich an Eisenoxiden sind.
Foto: Samuel Holzner
Hochgebirgschalet – Herausforderungen und Techniken beim Bau
Eine zentrale Herausforderung war es, den Druck der Lawine auf das Gebäude zu minimieren. Aus diesem Grund wurde ein schiffsbugartiger Block entworfen, um den Widerstand des vorrückenden Schnees zu verringern. Die Fundamente bestehen aus Stahlbeton, der mit Ankerstangen verstärkt wurde, um ein Verrutschen des Bauwerks im Falle einer weiteren Lawine zu verhindern. Die Außenwände wurden aus doppelten vorgefertigten Stahlbetonplatten mit einem monolithischen Betonkern und einer Isolierschicht gebildet. Die Fenster und Eingänge wurden mit COR-TEN-Stahlrollläden geschützt, die sich bei starken Regenfällen schließen. Der Materialtransport zur Baustelle erfolgte mit einer speziellen Seilbahn, und in schwierigeren Fällen wurden Hubschrauber eingesetzt, die auch die Bauarbeiter transportierten.
Räumliche Anordnung und Funktionalität der Stettinerhütte
Die neue Hütte wurde so konzipiert, dass sie den Touristen Komfort bietet und auch unter extremen Bedingungen funktionelle Funktionen erfüllt. Im Erdgeschoss befinden sich die Speisesäle (Stube), die Bar, Lagerräume, Werkstätten und die Küche mit Einrichtungen. Im ersten Stock befinden sich die Gästezimmer und die Sanitäranlagen, im Untergeschoss die Lager- und Technikräume. Die Jugendherberge bietet Platz für maximal 98 Personen und verfügt über 96 Betten, einschließlich der Betten für das Personal.
Eine moderne Herberge – Sicherheit und Ästhetik
Die umgebaute Stettinerhütte vereint Funktionalität, moderne Architektur und Widerstandsfähigkeit gegen extreme Gebirgsverhältnisse. Dank ihres innovativen Designs und der Verwendung robuster Materialien fügt sie sich harmonisch in die umliegende Landschaft ein und bietet gleichzeitig einen soliden Schutz vor den Naturgewalten. Mit dem Wiederaufbau nach der Zerstörung von 2014 wurde ein neuer Standard für diese Art von Gebäuden eingeführt.
Projektname: Rifugio Petrarca_ Stettinerhütte
Entwurf: AREA ARCHITETTI ASSOCIATI – Roberto Pauro – Andrea Fregoni
Jahr der Errichtung: 2022
Fotografien: Samuel Holzner und Paolo Tenaglia
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