Die ländlichen Hügel in der Nähe von Borgloon in Belgisch-Limburg beherbergen eine ungewöhnliche Kunstinstallation, die seit mehr als einem Jahrzehnt Touristen und Liebhaber zeitgenössischer Kunst anzieht. „Reading Between the Lines“, auch bekannt als Doorkijkkerk, ist ein Bauwerk, das einer traditionellen örtlichen Kirche ähnelt, aber gleichzeitig fast vollständig transparent ist. Das Projekt wurde zu einem Vorwand, um über die Rolle der Kirche im öffentlichen Raum und ihre Bedeutung in der heutigen säkularisierten Welt nachzudenken.
Die Entstehungsgeschichte des Projekts Doorkijkkerk
Die Installation wurde von den belgischen Architekten Pieterjan Gijs und Arnout Van Vaerenbergh als Teil einer vom Z33 Kunstencentrum organisierten öffentlichen Ausstellung entworfen. Die Ausstellung wurde an verschiedenen Orten in Borgloon und Heers gezeigt, und die Doorkijkkerk wurde zu ihrem bekanntesten Merkmal. Der Bau der durchbrochenen Kirche erforderte eine präzise Vorbereitung des gesamten Projekts. Die Stahlplatten, die die Grundlage der Anlage bilden, wurden von einem lokalen Unternehmen über einen Zeitraum von sieben Monaten nach den Empfehlungen der Architekten zugeschnitten. Die Montage der Struktur dauerte vier Wochen, und die Arbeiten wurden am 24. September 2011 offiziell abgeschlossen.
Die Architektur und Form des „Tempels
Bei ihrem Entwurf haben sich die Architekten an der Silhouette einer der örtlichen Kirchen orientiert, deren Form sie anhand von Laserscans nachgebildet haben. Die Installation hat die Form eines langgestreckten Blocks mit einem Turm über dem östlichen Eingang. Er besteht aus 100 horizontalen Stahlplatten, die durch Tausende von kleinen Säulen voneinander getrennt sind. Diese Anordnung verleiht dem Ganzen einen transluzenten Ausdruck, und die Proportionen der Stahlelemente und die Abstände lassen das Gebäude aus einer Perspektive massiv erscheinen, während es aus einer anderen Perspektive fast in der schönen Landschaft Belgiens verschwindet. Für das Bauwerk wurden 30 Tonnen Cortenstahl verwendet, die auf einem Betonfundament ruhen. Das Bauwerk ist 10 Meter hoch und gehört zu jenen Beispielen der Architektur, bei denen der Betrachter mit etwas Massivem und doch Leichtem, fast Flüchtigem konfrontiert wird.

Verschiedene Perspektiven von Doorkijkkerk
Die visuelle Wirkung der Installation hängt davon ab, von wo aus sie betrachtet wird. Von einem niedrigeren oder höheren Aussichtspunkt aus erscheint die Doorkijkkerk als solider, massiver Klumpen in Form einer Landkirche, wie es sie in der belgischen Landschaft häufig gibt. Von der Höhe ihrer Fundamente aus sieht der Betrachter jedoch durch sie hindurch in die offene Landschaft der Felder und Hügel Limburgs. Auch der Blick aus dem Inneren der durchbrochenen Kirche ist beeindruckend. Sie zeigen eine von horizontalen und vertikalen Stahlfragmenten zerfetzte Welt, die auch Raum für Interpretationen im Kontext des Glaubens und der Betrachtung des Lebens durch sein Prisma schaffen kann.
Ein Raum für Interpretationen
Die Architekten betonen, dass ihr Werk kein religiöser Kommentar ist, sondern dem Betrachter die Freiheit zur Interpretation lässt. Der Journalist Ronan J. O’Shea bemerkte in The Guardian, dass die Installation zum Nachdenken über die Rolle der Kirche in der modernen Welt anregt. Sie kann sowohl als Kunstraum, als Symbol einer Institution, die ihre materielle Dimension verloren hat, als auch als Ort der Anbetung betrachtet werden.
Wanda Lau von der Zeitschrift Architect Magazine weist dagegen darauf hin, dass das Objekt uns an die Dualität der Kirche erinnert, die entweder das Zentrum des Gemeindelebens oder lediglich ein Element der Landschaft sein kann. Mit ihrer ungewöhnlichen Form provoziert die Doorkijkkerk weiterhin Fragen über die Bedeutung der Architektur und ihre Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir den Raum um uns herum wahrnehmen.
Quelle: visitlimburg.be, worldwildschooling.com
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