Ein Wolkenkratzer im Art-déco-Stil in New York. Es ist ein Projekt von Foster Partners

Die Architekten von Foster Partners wollen mit dem Entwurf des neuen Hauptsitzes von J.P. Morgan in New York den Art déco wieder aufleben lassen. Das 423 m hohe Gebäude in der Park Avenue 270 wird den früheren Wolkenkratzer des Unternehmens ersetzen, der in den 1950er Jahren von SOM entworfen wurde. Nach Angaben der F.P.-Architekten soll das Gebäude klimaneutral sein, und die für seinen Bau benötigten Materialien wurden direkt aus dem früheren Hauptsitz des Unternehmens bezogen. Interessanterweise wird der Strom für das Gebäude aus dem Wasserkraftwerk des Staates stammen. Die Beteuerungen des Unternehmens sind in der Fachpresse auf Kritik gestoßen, die in der Investition eine Verschwendung von Rohstoffen und Energie sieht. Doch sind diese Vorwürfe zutreffend?

Recycelter Wolkenkratzer

Das Union Carbide Building (oder J.P. Morgan Chase Tower) wurde 1960 im Geschäftsviertel von Midtown, Manhattan, errichtet. Es wurde vom Architekturbüro SOM entworfen, um ein hohes Bürogebäude im internationalen Stil für das Chemieunternehmen Union Carbide zu schaffen. Damals galt die Glas- und Stahlfassade als Inbegriff von Schlichtheit und Funktionalismus. Interessanterweise wurde bei der Konstruktion auch Asbest in Form von Bienenwaben verwendet. Verzierungen oder Edelsteine suchte man bei dem schwarzen Union-Carbide-Wolkenkratzer vergeblich, was den modernistischen Architekturtrends jener Zeit entsprach. Der 215 Meter hohe Wolkenkratzer wurde in den 1980er Jahren von J.P. Morgan gekauft und war bis 2018 der Hauptsitz des Unternehmens. Der Versuch, den Wolkenkratzer unter Denkmalschutz zu stellen, scheiterte, und 2019 wurde mit dem Abriss des Gebäudes begonnen. Interessanterweise wurden 97 Prozent der Baumaterialien wie Stahl und Glas aus dem Union Carbide-Gebäude zurückgewonnen. Diese Materialien wurden dann für den Bau des neuen Wolkenkratzers verwendet.

Von außen soll das neue Gebäude an die klassischen Wolkenkratzer von New York erinnern. Der gestufte Block erinnert ein wenig an die Rockeffeler Plaza oder das Empire State Building aus den 1930er Jahren. New York ist voll von allmählich aufsteigenden Türmen im Art-Déco-Stil, und 270 Park Avenue versucht, sich in die Nachbarschaft einzufügen. Ein interessantes Detail ist die Farbgestaltung der Fassade. Dunkles Gold gemischt mit Schwarz und sanftem Weiß sind klassische Art déco-Farben. Ebenso wichtig sind die rautenförmigen geometrischen Muster, die in Wirklichkeit die Rahmen des freiliegenden Skeletts des Gebäudes bilden. Interessanterweise wurde das schwere, abgestufte Volumen des Wolkenkratzers auf einem sich verjüngenden Skelett um 24 Meter erhöht. Diese Anordnung vergrößert die Grundfläche des Bürgersteigs und des angrenzenden Platzes. Das Neo-Art-Déco des Wolkenkratzers endet jedoch an der Fassade, denn die Visualisierungen zeigen eine eher bescheidene Lobby. Natürlich ist dies eine Bescheidenheit im Vergleich zu den vor Gold triefenden und teuren Steinlobbys des Empire State Building oder des Chrysler Building.

Größter Turm auf Strom

Der von Foster Partners entworfene neue Wolkenkratzer an der 270 Park Avenue soll nicht nur die Bürofläche im Vergleich zu seinem Vorgänger vergrößern, sondern auch auf die klimatischen Herausforderungen reagieren. Das bisherige Gebäude bot Platz für 3.500 Mitarbeiter und hatte eine Bürofläche von 140.000 m². Der Wolkenkratzer von F P wird dagegen auf 230.000 m² Bürofläche 14.000 Menschen einen Arbeitsplatz bieten. Darüber hinaus wird das Unternehmen die Möglichkeit haben, die Fläche seinen Bedürfnissen anzupassen. Es sei darauf hingewiesen, dass das ältere, kleinere Hochhaus den Büroanforderungen des weltweit führenden Investmentbanking-Unternehmens nicht genügte, so dass es nahe lag, das vorherige Gebäude abzureißen und einen großen Turm zu bauen.

Ein Zeichen für die Modernität des Gebäudes ist seine Raffinesse in Bezug auf Autarkie und Energieeffizienz. 270 Park Avenue wird seine Energie aus dem Wasserkraftwerk des Staates beziehen. Außerdem werden alle Heizungs-, Klima- und Lüftungssysteme dank der Dreifachverglasung der Fassade effizienter sein. Ein geeignetes Wasserspeicher- und Filtersystem wiederum wird den Wasserverbrauch senken. Natürlich werden alle diese Systeme mit Strom betrieben, was den CO2-Fußabdruck des Gebäudes weiter verringert.

Ein überflüssiges Pastiche

Die Fachpresse war jedoch nicht so begeistert von 270 Park Avenue wie Foster Partners. Ein Journalist der Lokalzeitung Brooklyn Rail ist der Meinung, dass der neue Wolkenkratzer einfach ein unnötiges Pastiche der Art déco-Ära ist. Außerdem war das vorherige Gebäude ein wichtiges Beispiel für den internationalen Stil, und die technologischen Lösungen, die im Union Carbide zum Einsatz kamen, galten als bahnbrechend. An Wolkenkratzern in diesem Stil mangelt es weder in New York noch auf der ganzen Welt. Es ist schwierig, die Eminenz eines alten Wolkenkratzers in Frage zu stellen, wenn es ein fast identisches Seagram Building von 1957 in der Park Avenue und One Liberty Plaza ein paar Straßen weiter gibt. Und da es viele ältere Gebäude im internationalen Stil gibt, ist der Verlust eines solchen Gebäudes auch nicht so gravierend. Die Prämisse dieses Stils ist Einfachheit, Funktionalität und Wiederholung, so dass es sich keineswegs um ein Kunstwerk wie das Chrysler Building handelt, das zerstört wurde, sondern um eine „Arbeitsmaschine“, die ihren Zweck erfüllt hat.

Was die Frage des Art déco-Pastiche angeht, hat der Autor des Artikels in gewisser Weise recht. Das Potenzial für eine moderne Herangehensweise an einen ikonischen Stil wurde in dem Turm nicht voll ausgeschöpft. Es fehlen die verschnörkelte, aber funktionale Innenausstattung und die interessanteren Fassadendetails. 270 Park Avenue ist ein bloßer Ersatz für Neo-Art-Déco. Andererseits muss man die Bereitschaft der Architekten würdigen, die ausgetretenen Pfade des modernen Designs seit Le Corbusier zu verlassen. Auch wenn das Gebäude den Grundsätzen des modernen Art déco nicht ganz gerecht wird, zeigt es doch einen gewissen Wunsch, zu seinem früheren Glanz zurückzukehren, und zwar in einer praktischeren und für unsere Zeit relevanteren Form.

Und wer braucht das schon?

Ein etwas aufschlussreicherer und kritischerer Artikel von Fred Bernstein, einem Architektur-Absolventen der renommierten Princeton School of Architecture, erwies sich als etwas aufschlussreicher. In einem Text für The Architect’s Newspaper „widerlegt“ der Autor abwechselnd die Argumente von F. P. für grüne Lösungen in der 270 Park Avenue. Bernstein zufolge hätte der Wolkenkratzer nie gebaut werden dürfen, und die Errichtung eines solchen Gebäudes in Downtown Manhattan sende aufgrund des Klimawandels „die falsche Botschaft an die Welt“. Das Hauptargument des Autors ist, dass ein Wolkenkratzer in der Tat nicht umweltfreundlich ist, da die Menge an Kohlendioxid, die während des Baus in die Atmosphäre gelangt, enorm ist. Dieser Logik folgend sollten die Menschen jedoch überhaupt keine großen Gebäude bauen, da sie das Klima schädigen.

Außerdem ist Bernstein der Meinung, dass der Status der Klimaneutralität für eine zukunftssichere Architektur nicht ausreichend ist. Das Gebäude verfügt weder über Sonnenkollektoren noch über Windturbinen… wie die überwältigende Mehrheit der Projekte in der Welt. Auch die Tatsache, dass der Wolkenkratzer ausschließlich mit Wasserkraft betrieben wird, ist „nicht genug“. Nach Ansicht des Autors ist eine solche Lösung kein Ausdruck der innovativen Architektur des Gebäudes, sondern lediglich eine „kreative Buchführung“. Aber ist das etwas Schlechtes? Denn dank einer solchen Lösung bleibt das Gebäude trotzdem klimaneutral.

The Architect’s Newspaper hatte kein Problem mit ähnlichen Lösungen im Wolkenkratzer The Spiral, über den Sie HIER lesen können. Damals war der Wolkenkratzer ein frischer Wind, der die Herausforderung des Klimawandels scheinbar meistern konnte. Der Entwurf von BIG sah nicht vor, Energie aus einem Wasserkraftwerk zu beziehen, und sein größtes Verkaufsargument waren die grünen Terrassen, die die „Grünheit“ des Gebäudes nicht wirklich beeinträchtigen.

Die Absichten des Autors zeigen sich gegen Ende des Textes, wo er darauf hinweist, dass wir keine Hochhäuser bauen sollten, und ich denke, wir müssen das einfach akzeptieren. Das Problem ist, dass es unmöglich ist, auf den kleinen Grundstücken Manhattans ein so großes Hauptquartier ohne Wolkenkratzer zu errichten. Das Ziel von F P war es, einen größeren und moderneren Hauptsitz zu schaffen, der zudem keine nennenswerten Mengen an Kohlendioxid ausstößt. Dieses Ziel wurde erreicht. Der alte Hauptsitz hingegen genügte den Anforderungen nicht, und die wachsenden Bedürfnisse des Unternehmens zwangen J.P. Morgan zum Abriss des Wolkenkratzers. Wäre es für das Klima besser, einmal zu bauen, wobei erhebliche Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden, oder viele Jahre lang ein altes Hochhaus zu betreiben, das die Büro- und Energiestandards nicht erfüllt?

Eine neue Welle

270 Park Avenue könnte ein Vorbote eines neuen Stils sein. So wie Architekten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Neugotik, die Neoromanik und den neobyzantinischen Stil schufen, so greifen wir heute, mehr als ein Jahrhundert nach der Entstehung des Art déco, auf alte Muster zurück. Auch wenn das Neo-Déco von F. P. alles andere als perfekt ist, so ist 270 Park Avenue doch ein entscheidender Schritt zur Popularisierung des neuen Stils. Manche würden sogar sagen, dass es ein Beispiel für einen etwas grüneren Ansatz beim Bauen ist. Andere werden sich beschweren.

Fotoquelle: Foster Partners

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