fot. Martin Falbisoner, wikimedia, CC 4.0

Eine Betonhöhle, in der ein „heiliger Baum“ versteckt ist. Kirche in Köln

Von außen sieht die Kirche Johannes XXIII. in Köln aus wie eine Betonhöhle. Im Inneren hat der Architekt einen ebenso unnatürlichen Betonbaum platziert, dessen „Äste“ die Decke umspannen. Von jeder Seite sieht das Gebäude anders aus, und die skulpturalen Formen des Betons auf dem Dach sind faszinierend. Interessanterweise verbirgt sich hinter den seltsamen, brutalistischen Formen der Kirche eine Symbolik, die die Genealogie Jesu betrifft.

Das Heilige unter dem Profanen

In den 1960er Jahren gab die Katholisch-Theologische Hochschule in Köln den Plan bekannt, eine neue Kirche zusammen mit einem Studentenwohnheim und mehreren anderen Gebäuden zu bauen. Der Gewinner des Wettbewerbs zur Gestaltung der neuen Universitätsgebäude war Heinz Buchmann, der jedoch nicht der einzige Urheber der bizarren Kirche war, die in der Mitte des Geländes steht. Es war der Theologe Wilhelm Nyssen, der zusammen mit dem Bildhauer Josef Rikus die Hauptsymbolik hinter dem ungewöhnlichen Bauwerk ausarbeitete.

Das Betondach bildet eine Art künstliche Höhle, unter der sich die Kapelle verbirgt. Trotz ihrer Künstlichkeit sind die rohen Quader wie in der Natur in unregelmäßigen Formen angeordnet. Auch das farbige Glas wird nicht mit den Schöpfungen der Natur assoziiert, aber es sei darauf hingewiesen, dass ein solches Element im brutalistischen Denken einen von einem Berg herabfließenden Wasserstrahl nachahmt. Nur das im Sonnenlicht schimmernde Wasser trennt den heiligen Ort vom Rest der Welt. Das Glas trägt auch zur Leichtigkeit dieser Betonhöhle bei. Interessant sind auch die Details an den Wänden. In den Beton wurden Rillen eingearbeitet, die von antiken Säulen bekannt sind. Das Ganze schafft einen Bunker, der mit Erde überwuchert ist.

Jesse-Baum

Das Betreten des Bunkers kommt dem Betreten einer heiligen Höhle gleich. Im Inneren befinden sich der Stamm und die Wurzeln eines Betonbaums. In der Mitte befindet sich ein Tabernakel, das mit dunklen Eichenblöcken gestapelt ist. Es ist der Stamm des Baumes von Jesse, aus dem der Rest der Struktur „wächst“. Graue „Äste“ winden sich nach oben und bilden die Decke der Kapelle. In anderen Teilen der Kirche sind an der Decke Betonbinder zu erkennen, ein typisches Element des Konstruktivismus. Da es sich um eine Kirche handelt, könnte das Gittermuster auch auf Renaissance-Kassetten verweisen. Interessanterweise wird der Rumpf von Säulen gestützt, auf denen der größte Teil des Gewichts der Struktur verteilt ist.

Neben dem rohen und modernen Beton fällt auch der rote Ziegelstein auf, mit dem die Böden verziert sind. An einigen Stellen sind auch Granitböden zu sehen. Etwas mehr Wärme bringen die Holzstühle mit ihren kantigen Formen in den Innenraum.

photo by Raimond Spekking, wikimedia, CC 4.0

In der Mode des Brutalismus

Nyssen zufolge soll der „Baum“, der in der Mitte der Kapelle steht, den biblischen Baum Isais, des Vaters von König David, symbolisieren. Dieses seit dem Mittelalter beliebte Motiv ist gewissermaßen der Stammbaum Jesu. Die Anzahl der Mitglieder basiert auf Aufzeichnungen aus dem Neuen Testament, aber in einigen Kirchen weicht die Anordnung und der Umfang des Jesse-Baums vom biblischen Original ab. Das Motiv wurde auf Außenverzierungen, über Portalen oder auf Glasfenstern angebracht.

Nyssen und Rikus hingegen transformierten den Jesse-Baum in den damals aktuellen Modernismus. Konstruktivismus und Brutalismus kommen eher in Formen und Materialien als in Ornamenten zum Ausdruck, so dass sich das mittelalterliche Motiv auf den gesamten Innenraum überträgt. Man könnte sagen, dass die Gläubigen unter den Zweigen des biblischen Baumes eintreten. Im Hinblick auf den Stil ist es bemerkenswert, dass die brutalistische Kirche klassische architektonische Elemente nur bruchstückhaft verwendet, um sie dann ungeordnet im Gebäude zu verstreuen. Das Bauwerk verleugnet den Klassizismus der Gotik, der Renaissance oder der Antike und verbirgt seine Sakralität in einem erdigen Bunker. Der Kontrast zwischen Mittelalter und Moderne wird besonders deutlich, wenn man Kölns berühmtestes Bauwerk, den 157 m hohen Dom, betrachtet.

Der Bau der Johannes XXIII. Kirche in Köln wurde 1968 fertiggestellt und nach 48 Jahren unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 2016 wurde eine Restaurierung durchgeführt. Heute ist sie eines der schönsten Beispiele für den deutschen Konstruktivismus und Brutalismus. Das Denkmal wird besonders für seine skulpturalen Betonformen geschätzt.

Quelle: Baukunst-nrw

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