fot. Roman Stasiuk

Enthüllung der Geschichte. Maria Haile rettet alte Schilder in Prag

Im Warschauer Stadtteil Praga ist seit einiger Zeit ein einzigartiges Projekt im Gange. Maria Haile, Studentin an der dortigen Akademie der Schönen Künste, arbeitet im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Freilegung und Konservierung alter Werbetafeln, die auf die Fassade eines Mietshauses in der Stalowa-Straße 37 gemalt wurden. Dies ist ein äußerst anspruchsvolles Unterfangen, das große Präzision und viel Geduld erfordert. Die Werbetafeln im Stadtteil Praga tauchen unter den Schichten der Geschichte auf und erinnern uns an die Geschichte dieses wertvollen, aber etwas übersehenen Teils der Hauptstadt.

Schilder in Praga – die Geburt einer Idee, sie zu retten

Die Idee, die Schilder zu erhalten, kam Maria während ihres Studiums am NOVUM Studio für den Schutz und die Erhaltung moderner und zeitgenössischer Kunst. Schon zu Beginn ihres Studiums interessierte sie sich für Wandmalerei und plante daher, sich auf dieses Fachgebiet zu spezialisieren. Ursprünglich hatte sie die Konservierung eines Wandgemäldes oder einer Polychromie als Teil ihrer Abschlussarbeit in Erwägung gezogen, aber schließlich wurde ihr von ihrer Betreuerin, Dr. Anna Kowalik, das Thema der Zeichen vorgeschlagen. „Ich bin sehr froh, dass ich mich auf dieses Thema konzentriert habe. Damit leiste ich einen Beitrag für mein eigenes Viertel: Ich verbessere seine Ästhetik und stärke das Identitätsgefühl der Bewohner durch den Kontakt mit der lokalen Geschichte“, sagt Haile – sagt Haile.

Arbeit mit Alltagsgeschichte

Das Projekt an der Wand eines Prager Mietshauses unterscheidet sich von vielen Restaurierungsarbeiten, die sich mit sakralen oder repräsentativen Werken befassen. „Es gibt mir große Befriedigung, mit ‚echter‘ Geschichte zu arbeiten – nicht mit Kirchen- oder Schlossgeschichte, sondern mit Volks- und Handwerksgeschichte, die mir sowohl fachlich als auch emotional nahe steht“ – unterstreicht der Designer. Bei der Besichtigung der Fassade und der Analyse der Literatur wurde deutlich, dass die in der Stalowa-Straße entdeckten Inschriften nur ein Fragment eines größeren Ganzen sind. „Es ist zu vermuten, dass sich ähnliche Schichten von gemalten Zeichen über die gesamte Wand des Mietshauses auf der Seite der Stalowa-Straße erstrecken, was darauf hindeutet, dass unter dem Putz noch weitere Inschriften erhalten sein könnten“ – erklärt die Restauratorin.

Die freiliegenden Wörter wie ‚rasieren‘, ’scheren‘ oder ‚Molkerei‘ erinnern an das Alltagsleben im alten Prag und vermitteln das Bild eines Ortes, an dem reger Handel und kleine Dienstleistungen herrschten. Obwohl die Inschriften teilweise verwischt sind und sich überschneiden, sind sie eine wertvolle Quelle des Wissens über das Leben der lokalen Gemeinschaft.

Foto Roman Stasiuk

Die Zukunft der Prager Werbetafeln

Das Ziel des Projekts besteht nicht nur darin, die ursprüngliche Farbschicht zu erhalten, sondern auch die Lesbarkeit der Inschriften wiederherzustellen, damit sie im öffentlichen Raum als Teil der Identität des Viertels funktionieren können. Maria Haile plant, die Konservierung so minimal und reversibel wie möglich zu gestalten, um ihre Authentizität zu erhalten. „Vorrangig geht es darum, die empfindliche Farbschicht vor weiterem Verfall zu schützen und die Ästhetik so zu entwickeln, dass die Lesbarkeit der Inschriften erhöht wird, wobei die Stratigraphie respektiert wird“, erklärt Haile – erklärt er.

Nach Abschluss der Konservierungsarbeiten plant der Student außerdem Archivrecherchen, um die Geschichte der Personen und Unternehmen zu rekonstruieren, die hinter den alten Schildern stehen. Auf diese Weise werden die Inschriften nicht nur eine freiliegende Farbschicht bleiben, sondern zu einem Vorwand werden, um die Geschichte dieser alten Mietshäuser zu erzählen.

Konservierungstechniken bei der Renovierung von Inschriften

Es mag den Anschein haben, dass die Freilegung der Inschriften eine relativ einfache Aufgabe ist, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Arbeiten werden mit mikromechanischen Methoden durchgeführt. Dabei trägt Maria mit einem Skalpell, einem Schuhmachermesser und einem leichten Hammer sukzessive Schichten ab. Um das Original nicht zu beschädigen, setzt sie an einigen Stellen zusätzlich Gele, Kompressen und kurzzeitige Mikrobefeuchtung ein. „Es ist ein Prozess, der Geduld, ein Gefühl für das Material und Entscheidungsdisziplin erfordert. Man kann nicht automatisch oder gewaltsam vorgehen“, betont – unterstreicht sie. Die Wirkung ihrer Arbeit ist sofort sichtbar, aber das Endergebnis hängt von einer Reihe von Schritten ab, einschließlich der Retusche und dem Schutz der Farbschicht.

Foto von Marcin Gałązka/Antykwariat Zakładka

Hinweisschilder in Praga – Papierkram und Unterstützung

Der Start des Projekts erforderte eine Reihe von behördlichen Genehmigungen, die dank des unschätzbaren Engagements des Projektträgers erteilt wurden. Die Arbeiten wurden u. a. von der Zakład Gospodarowania Nieruchomościami na Pradze-Północ (Grundstücksverwaltungsgesellschaft in Praga-Północ) und dem Hauptstadtdenkmalpfleger genehmigt. Finanzielle Unterstützung wurde von der OmenaArt Foundation und dem Philanthropy Consortium geleistet. Maria schätzt auch das Interesse der Anwohner: „Die Reaktionen der Passanten sind sehr positiv und bestärkend. (…) Ich hoffe, dass diese Aufmerksamkeit zu einer breiteren Unterstützung für ähnliche Initiativen führen wird. Prags Stadthäuser sind wunderschön, auch wenn sie oft vernachlässigt werden – es lohnt sich, in ihre Ästhetik und ihr Gedächtnis zu investieren.“

Projektträger und Links zum Ort

Das Projekt von Maria Haile wird von zwei Personen der Akademie der bildenden Künste unterstützt. Ihre Promotorin ist Dr. Anna Kowalik, Assistenzprofessorin im NOVUM-Studio für den Schutz und die Konservierung moderner und zeitgenössischer Kunst und leitende Restauratorin am ASP-Museum. Sie beschäftigt sich mit Kunst im öffentlichen Raum, ihre Habilitation betrifft Graffiti. Sie ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge auf polnischen und internationalen Konferenzen. Dr. Tytus Sawicki, Professor an der Akademie der Schönen Künste mit besonderen Verbindungen zum Forschungsstandort, wurde zum stellvertretenden Betreuer ernannt. Er betreute die Diplomarbeit der Studentin Karolina Mikuła an der Nachbarwand des Gebäudes – die Konservierung und Restaurierung des Wandgemäldes Szczudlarze (Stelzenläufer ) von Linas Domarackas, das in Zusammenarbeit mit Kindern aus dem Warschauer Stadtteil Praga entstand. Wie man sieht, sind die laufenden Arbeiten an der Stalowa Teil eines umfassenderen Prozesses zur Wiederherstellung der künstlerischen und handwerklichen Spuren des Stadtteils.

szyldy na Pradze
Foto von Marcin Gałązka/Antykwariat Zakładka

Prag als Ort zum Leben und Arbeiten

Maria Haile wohnt seit vier Jahren in Praga und betont, dass sie sich in diesem Viertel schnell heimisch fühlte. Im Gegensatz dazu lebte sie zuvor im Posener Stadtteil Jeżyce, der Praga in gewisser Weise sehr ähnlich ist. „Es ist ein Viertel, in dem trotz der realen sozialen Probleme Beziehungen, Identität und Gemeinschaft einen hohen Stellenwert haben“ – stellt er fest. Der alte Teil des rechten Warschauer Ufers war nicht ihre bewusste Wahl, aber es stellte sich heraus, dass es ein Ort ist, der den Werten und Erfahrungen der jungen Künstlerin nahe steht. Die Renovierungsarbeiten an den Schildern in der Stalowa-Straße haben die Aufmerksamkeit von Marcin Gałązka geweckt, dem Inhaber des Zakładka Antykwariat, das sich seit 2006 in der Środkowa-Straße 12 befindet. Das von ihm geführte Geschäft ist für seine große Auswahl an Büchern, Zeitschriften und Postkarten bekannt.

Maria Haile und ihre Schilder in Praga

Maria Haile studiert im 6. Jahr Konservierung von Gemälden und polychromen Skulpturen an der Akademie der Schönen Künste in Warschau. Neben der Konservierung beschäftigt sie sich auch mit Szenografie. Ihre Magisterarbeit befasst sich mit der Dokumentation und Konservierung von Schildern an Prager Mietskasernen, und sie bereitet einen künstlerischen Anhang im szenografischen Atelier von Professor Marek Chowaniec vor. Haile interessiert sich unter anderem für soziale Fragen, Menschenrechte und Feminismus. In ihrer Freizeit liest sie, geht in Konzerte und ins Theater. „Ich freue mich, dass ich wenigstens ein bisschen zum Wohlbefinden dieses Viertels beitragen kann, und ich hoffe, dass dies nicht meine letzte Arbeit hier ist“, sagt sie – sagt sie abschließend.

Quelle: Materialien von Maria Haile, Lesezeichen-Antiquariat

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