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Es war wie eine Höhle. Heute gibt es sie nicht mehr. Großes Theater in Berlin

Die Innenräume des Großen Schauspielhauses waren eine Ikone des dekadenten Berlins der 1920er Jahre. Die „Höhle“ mit ihren baumelnden Stalaktiten war ein einzigartiges Beispiel für die Architektur des deutschen Expressionismus. Das Große Theater war ein Ort der technischen und theatralischen Innovation. Das 1919 errichtete Gebäude überdauerte nur ein Dutzend Jahre.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich an der Stelle des heutigen Friedrichstadt-Palastes, dem Nachfolger des Großen Theaters, ein Holzdepot. Im Jahr 1867 wurde der Bau einer großen Markthalle an der Karlstraße fertiggestellt. Der Investor versprach sich großen Erfolg von der Halle. Schon nach wenigen Monaten zeigte sich, dass eine so große Anlage den Handel nicht aufrechterhalten konnte. Die Halle wurde geschlossen und an ihrer Stelle wurde ein Zirkus errichtet.

Zirkus-Imperium

Im Prinzip überlebte das Hallengebäude. Der neue Käufer richtete das Gebäude für Zirkusvorstellungen ein. Der Zirkus erwies sich als weiterer Misserfolg. Franz Renz gelang es nicht, genügend Zuschauer für seine Vorstellungen zu gewinnen. Ende des 19. Jahrhunderts übernahm ein anderer Zirkusartist die Halle. Diesmal handelt es sich um Albert Schumann, eine Art „Zirkusmagnat“. Seine Familie hatte über Generationen hinweg ein Zirkusimperium aufgebaut, das sich über germanische und skandinavische Länder erstreckte.

Schumanns Zirkus organisierte auch Aufführungen, die sehr populär wurden. Der Theaterdirektor Max Reinhardt war bekannt für seine großartigen Shows mit naturalistischen Kulissen und einer Rundbühne. Mit der Zeit kaufte Reinhardt das Gebäude von Schumann, um sein eigenes innovatives Theater zu errichten. Die Bauarbeiten wurden durch den Krieg unterbrochen und der Innenraum wurde erst 1919 eröffnet.

Die arabische Höhle

Das Große Theater war sehr modern. Der Architekt Hans Polzeig, einer der führenden Vertreter der frühen Moderne in Deutschland, entwarf eine riesige Kuppel, die über dem Zuschauerraum schwebte. Von der Kuppel hingen gleichmäßige Reihen von stalaktitenartigen Säulen herab. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um Mukarnas, Elemente, die natürlichen Kalksteinformationen wie Stalaktiten ähneln sollen. In der Kuppel wurde ein Lampensystem installiert, um fortschrittliche Lichteffekte zu erzielen. Polzeig bezog sich auf die arabische Ornamentik und interpretierte östliche Motive neu, indem er ihnen eine architektonische Form gab. Reihen von „Stalaktiten“ zogen sich über den Rest der Decke, und die Säulen, die die Decke stützen, ähnelten Stalagmiten. Interessanterweise verfügte das Theater über verschiedene mechanische Einrichtungen, darunter eine Drehbühne.

Obwohl der Zuschauerraum keine Balkone hatte, konnte die Sitzplatzkapazität dennoch erhöht werden. Diese Maßnahme sollte es dem Proletariat ermöglichen, billigere Plätze abseits der Bühne zu kaufen. Die weniger Wohlhabenden konnten auch die Cafeteria nutzen. An anderer Stelle gab es ein Restaurant für das wohlhabendere Publikum. Die gastronomischen Einrichtungen und der Zuschauerraum waren durch ein Foyer mit stromlinienförmigen Säulen verbunden. Der Expressionismus, eine Strömung zwischen Jugendstil und Modernismus, ließ sich von der Natur inspirieren. Daher auch das Höhlenmotiv. Die stromlinienförmigen Formen hingegen sollten auf die dynamischen Formen des Designs und des Jugendstils verweisen, die zu dieser Zeit an Popularität gewannen.

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Politisches Theater

Das Theater war berühmt für die Stücke von Erwin Piscator, der multimediale rote Revuen inszenierte. Er setzte häufig Filme, Lichtspiele, perspektivische Manipulationen und andere moderne Techniken ein. Die meisten Inszenierungen waren schrill, manchmal mit einer oberflächlichen Botschaft verbunden. Unterstützt von Kunstmäzenen schuf Piscator vereinfachte antikapitalistische, kommunistische und revolutionäre Themen. Der Regisseur war der Autor des Buches Politisches Theater.

Piscator floh noch vor dem Krieg aus dem Land. Als er das Land verließ, hieß das Große Theater bereits „Theater der Nation“ und wurde von den Nazis verwaltet. Das expressionistische Dekor galt als „entartet“ und wurde mit der Berliner Bohème in Verbindung gebracht. Ab 1933 war das Theater ein Treffpunkt für kommunistische Kreise, die häufig von Juden repräsentiert wurden. Es war diese Gemeinschaft, die den dekadenten Lebensstil Berlins prägte. Unter der NSDAP-Verwaltung wurde die Kuppel verdunkelt und die Decke vereinfacht. Die verbliebenen Stalaktiten wurden in einfache Säulen eingebaut. Basreliefs wurden hinzugefügt und die Zahl der Sitzplätze erhöht. In diesem Zustand überlebte das Theater bis zur Bombardierung durch die Alliierten.

Friedrichstadt-Palast

Nach dem Krieg wurde das Gebäude in leicht veränderter Form wiederaufgebaut. Das Theater Friedrichstadt-Palast wird in der neuen Realität der DDR weitergeführt. Eine „Höhle“ gab es nicht mehr, aber die verstaatlichte Institution war beliebt. In den 1980er Jahren führte die absichtliche Absenkung des Grundwasserspiegels dazu, dass die Pfähle, auf denen das Theater stand, verrotteten. Die Einrichtung wurde 1988 geschlossen und abgerissen. Interessanterweise wurden die Gründe für den Abriss geheim gehalten, da die Praxis der Grundwasserabsenkung auch West-Berlin betraf. Die Stadt hat auch heute noch mit dem Problem zu kämpfen, dass nicht genügend Wasser aus dem Boden nachwächst.

Das Große Theater war ein einzigartiges Meisterwerk der 1920er Jahre; das Große Schauspielhaus ist ein Ausdruck der Hoffnung auf ein besseres Leben nach der Tragödie des Ersten Weltkriegs. Zum Unglück der Berliner Bohème wurde die Hoffnung durch eine noch zerstörerischere Kraft zunichte gemacht.

Quelle: secret city travel

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