Główne atrium, fot. Eva Kroecher, wikimedia, CC 2.0

Farbenfroher Backsteinexpressionismus in einer Frankfurter Fabrik

Das Gebäude der Technischen Verwaltung der Hoechst AG in Frankfurt ist ein hervorragendes Beispiel für den einzigartigen deutschen Stil der 1920er Jahre. Der Architekt Peter Behrens entwarf das Bürogebäude nach dem damals neuen Backsteinexpressionismus, bei dem Backsteine zu dynamischen und verschnörkelten Formen verarbeitet wurden. Von außen bietet das Bürogebäude von Behrens-Bau eine zurückhaltende, aber abwechslungsreiche Fassade mit einer großen Uhr. Das Innere des Gebäudes sieht dagegen aus wie ein bunter Canyon aus Ziegelsteinen. Bemerkenswerterweise hat das fabelhafte Bürogebäude den Krieg überstanden und wird noch heute als Hauptquartier genutzt.

Ausdruck von Backstein

Die Anfänge der modernistischen Bewegung in Europa lassen sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg erkennen, aber erst in den 1920er Jahren konnte die neue Architektur ihr volles Potenzial entfalten. In Deutschland entwickelte sich die Moderne durch die Bauhaus-Schule mit ihrer Betonung des Funktionalismus und der Wiederholung von interessanten Formen. Bezeichnenderweise lehnten die frühen Modernisten häufig die Notwendigkeit klassischer Ornamente ab, was jedoch nicht immer mit der Schaffung einfacher Designs einherging.

Der Backsteinexpressionismus zeigte, dass der klassische rote Backstein auch die eindrucksvollsten Formen hervorbringen kann. Die dynamischen Formen dieses Stils wurden vor allem in den Industriegebieten Deutschlands und der Niederlande wegen ihrer Langlebigkeit und niedrigen Baukosten übernommen. Ein gutes Beispiel für den Backsteinexpressionismus ist das Chilenhaus in Hamburg, ein großes, verziertes und vor allem funktionales Bürogebäude, das noch heute mehreren Mietern dient.

Industrieller Visionär

Schon vor dem Ersten Weltkrieg experimentierte Peter Behrens mit modernistischer Fabrikarchitektur. Die von ihm entworfene AEG-Turbinenfabrik beispielsweise ist ein nüchternes, zweckmäßiges Gebäude, das zu einem Modell für die moderne Fabrik geworden ist. Eine solche Beschreibung würde nicht überraschen, wäre da nicht die Tatsache, dass die Fabrik 1909 gebaut wurde. Nach dem Krieg experimentierte Behrens weiter mit Industriearchitektur, aber diesmal wurden seine Entwürfe farbenfroh und verziert, und ihre Formen waren von reizvoller Ausdruckskraft. Eine Gelegenheit, die neuen Ideen des Architekten zu testen, war ein Auftrag des Chemieunternehmens Hoechst AG in der Industriestadt Höchst bei Frankfurt. Interessanterweise ist eine bekannte Erfindung des Unternehmens der gleichnamige fluoreszierende und giftige Farbstoff.

Das Behrens-Bürogebäude (Behrens-Bau) ist Ausdruck der industriellen Phantasie des Architekten. Das Gebäude hätte auch ein einfacher Industriekasten oder ein historisierendes Bürogebäude sein können, doch der endgültige Entwurf setzt auf farbige Ziegelsteine. Die Fassade macht durch drei wichtige Elemente auf sich aufmerksam.

Erstens hebt der große dunkle Turm mit seiner großen Metalluhr die Fabrik von den anderen Gebäuden im Industriegebiet ab. Obwohl Uhrentürme in Fabriken üblich waren, können nur wenige Türme mit dem des Behrens-Baus mithalten. Außerdem überspannen gestufte Serpentinenrahmen die großen Fenster und Öffnungen. Zweitens schafft das Ziegelpuzzle aus dunklen und etwas helleren Ziegeln einfache, aber ästhetisch ansprechende Muster. Drittens erinnert die charakteristische Verbindungsbrücke mit ihrem Bogen, der sich über die Straße spannt, an die Lösungen von großzügigen Stadthäusern. Ein interessantes Detail der Verbindungsbrücke ist ein kleiner Erker.

photo by Eva Kroecher, wikimedia, CC 2.0

Ziegelstein-Schlucht

Eine niedrige Decke erstreckt sich entlang der Gänge vom Eingang bis zum Hauptatrium. Der 15 Meter hohe Raum ist eine unerwartete und reizvolle Demonstration der Kreativität der Industriearchitektur. Bunte Säulen aus Klinkersteinen ragen in die Höhe, die mit ihren Farben eine Art künstliche Schlucht bilden. Rot-, Blau- und Gelbtöne bilden sich nach unten verjüngende, regelmäßige Säulen, die drei große, achteckige Oberlichter halten. Auch an den Seiten fallen die weiteren Stockwerke des Gebäudes auf.

Das Bürogebäude verfügt auch über eine eigene Ausstellungshalle, in der derzeit eine Skulptur zu sehen ist, die einen Arbeiter darstellt. In der Vergangenheit präsentierte hier die Farbstoffproduktion der Hoechst AG – I.G. Farben ihre Produkte, weshalb die Ausstellungshalle groß und hell sein musste. Das durch große Fenster einfallende Licht erhellt die farbenfrohe Halle, deren Säulen aus grünem Backstein bestehen und deren Boden in geometrischen Formen angeordnet ist. Der Architekt hat solche Puzzles über fast das gesamte Gebäude verteilt. Interessanterweise befand sich in der Halle früher ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen des Großen Krieges.

Von dunklen Täfelungen gesäumte Korridore führen zu den übrigen Räumen. Es lohnt sich auch, einen Blick auf die glasierten Ziegel des Fußbodens zu werfen, die sowohl im Fischgrätenmuster als auch in konkreten geometrischen Figuren angeordnet sind. Peter Behrens achtete auf kleine Details wie handgefertigte Türklinken oder modernistische Lampen. Ein weiteres interessantes Element ist der Paternoster-Aufzug, bei dem offene Kabinen in einer Schleife entlang einer Kette zirkulieren.

Hauptatrium, Foto von Eva Kroecher, wikimedia, CC 2.0

Die dunkle Vergangenheit

Die letzten Räume, die von Interesse sind, sind der Marmorsaal und das Auditorium. Der Marmorsaal war früher ein Versammlungsraum und hat seinen Namen von den Travertinplatten. Es ist wichtig, dass der weiße Travertin dem Marmor ähnelt. Vom Marmorsaal aus konnte man in das zweistöckige Auditorium gehen, wo auf einer gemauerten Plattform chemische Experimente vorgeführt wurden. Die Wände des Auditoriums waren ursprünglich mit einer kunstvollen Vertäfelung versehen, doch eine Brandbombe, die während des Zweiten Weltkriegs auf das Auditorium fiel, zerstörte die ursprünglichen Dekorationen. Der Wiederaufbau in der Nachkriegszeit erfolgte in einem schlichteren Stil.

Nach dem Krieg wurde die I.G. Farben in mehrere kleinere Unternehmen aufgeteilt und dann an die Deutschen zurückgegeben. Auch wenn das Gebäude in Höchst nicht der Hauptsitz des Unternehmens war, so ist es doch erwähnenswert, was die zentrale Leitung der I.G. Farben tat und was ihr widerfuhr. Mitglieder der Geschäftsleitung wurden in Nürnberg wegen des Einsatzes von Sklavenarbeit und Medikamententests an KZ-Häftlingen verurteilt. Als Erklärung wurde der Zwang von oben angeführt. Da die deutschen Verbrecher nach dem Krieg nicht ordnungsgemäß zur Rechenschaft gezogen wurden, kehrten die zu kurzen Haftstrafen verurteilten Führungskräfte entweder in die neue I.G. Farben zurück oder erhielten üppige Auszahlungen. Erschwerend kam hinzu, dass die I.G. Farben auch der Hersteller von Zyklon B war.

Das Frankfurter Technische Verwaltungsgebäude der Hoechst AG ist heute der Sitz eines Nachfolgeunternehmens. Das Gebäude wurde Ende der 1990er Jahre einer umfassenden Renovierung unterzogen, und Behrens‘ Erbe wird noch heute bewundert. Sein Erfindungsreichtum und seine Backsteinsprache brachten frischen Wind in die Architektur von Büro- und Industriegebäuden. Die farbenfrohe Backsteinschlucht des Hauptatriums ist ein ästhetisches Meisterwerk, das mit geringem Kostenaufwand realisiert wurde.

Quelle: Viefalt der moderne

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