Berezyńska 16
Alina Zienowicz (Ala z), CC BY-SA 3.0 PL, via Wikimedia Commons

Funktionalistisches Stadthaus von Saska Kępa: ein Zeuge der Warschauer Geschichte

Das Mietshaus in der Berezyńska 16 im Warschauer Stadtteil Saska Kępa ist ein interessantes Beispiel für die funktionalistische Wohnarchitektur der Vorkriegszeit. Das Gebäude wurde in den späten 1930er Jahren nach einem Entwurf des Architekten Stanisław Barylski erbaut. Obwohl nicht sicher ist, dass der Bau vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs abgeschlossen wurde, ist das Wohnhaus bis heute weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben.

Das Mietshaus wurde zwischen 1938 und 1939 von Dr. Józef Szymanowicz aus Krakau erbaut, der es für seine Tochter Wanda beim Architekten Stanisław Barylski in Auftrag gab. Das Gebäude war für Wohnzwecke als Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen und einer Garage für zwei Autos gedacht. Die stilisierten Initialen von Wanda Szymanowiczówna – „WS“ – wurden auf einem Ziergitter am Eingang des Gebäudes angebracht.

Berezyńska 16 – Alina Zienowicz (Ala z), CC BY-SA 3.0 PL, via Wikimedia Commons

Berezyńska 16

Es ist unklar, ob die Investition vor Ausbruch des Krieges abgeschlossen wurde, denn im August 1939 beantragte Wanda bei der Bank Gospodarstwa Krajowego ein Darlehen für weitere Bauarbeiten. Infolge der Kriegsanstrengungen zwischen 1939 und 1944 erlitt das Stadthaus erhebliche Schäden. Nach dem Krieg, zwischen 1945 und 1946, führte das Büro für den Wiederaufbau der Hauptstadt Renovierungsarbeiten durch, bei denen unter anderem die Treppe, die Dacheindeckung, die Balkongeländer sowie die Fenster und Türen repariert wurden. Die Fassade blieb zu dieser Zeit unangetastet. 1955 ging das Mietshaus durch einen Beschluss des Präsidiums des Nationalrats in den Besitz des Staatsschatzes über und wurde dann an die Wohnungsbaugesellschaft übergeben.

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Das Mietshaus in der Berezyńska-Straße 16 ist ein freistehendes Gebäude mit einer Fläche von 532 Quadratmetern, das im Geiste des Funktionalismus errichtet wurde. Es wurde auf einem rechteckigen Grundriss mit einer zwei- und dreijochigen Anordnung auf allen Ebenen entworfen. Das Treppenhaus befindet sich im vorderen Bereich, nach Osten versetzt, und eine Garage befindet sich an der Ostfassade. Das Gebäude zeichnet sich durch eine ausgeprägte Zweiteilung aus, wobei zwischen den einzelnen Teilen ein leichter Höhenunterschied besteht. Die vordere Fassade ist mit einem auffälligen „Thermometer“-Fenster versehen, das das Treppenhaus beleuchtet. Der höhere Teil befindet sich an der Nord- und Westseite der Fassade, und das Gebäude ist dreigeschossig und voll unterkellert.

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Die Fassaden des Gebäudes bestehen aus Sandstein, und der untere Teil der Fassade ist mit rustizierten Platten aus demselben Material verkleidet. Die Ostfassade, die von einer niedrigen Garage überragt wird, weist ebenfalls Sandsteinelemente auf, während die Südfassade durch Balkone belebt wird, die sich über ihre gesamte Länge erstrecken. Die Westfassade ist mit horizontalen, großzügigen Fenstern gestaltet. Die Wände des Gebäudes sind dicht mit Erinnerungsstücken aus dem Zweiten Weltkrieg bedeckt – Einschusslöcher, die von heftigen Kämpfen und Granateneinschlägen herrühren, was dem Gebäude einen einzigartigen historischen Charakter als greifbares Zeugnis jener tragischen Zeit verleiht. Im Inneren ist die ursprüngliche Einrichtung des Gebäudes erhalten geblieben, darunter eine zweiläufige Stahlbetontreppe mit Terrazzostufen, Holzparkette und Böden aus so genannten „Ginsterfliesen“ sowie Tür- und Fensterrahmen aus Holz, von denen einige bis heute erhalten geblieben sind.

Alina Zienowicz (Ala z), CC BY-SA 3.0 PL, via Wikimedia Commons

Die Innenräume des Stadthauses sind in sechs Wohnungen unterteilt, die jeweils über einen originellen Grundriss mit Küchen, Bädern, Toiletten und Dienstbotenzimmern verfügen. Die Wohnungen sind unterschiedlich groß – die östlichen Wohnungen sind kleiner und bestehen aus zwei Zimmern, während die westlichen Wohnungen drei Zimmer haben. Die größte Wohnung, die ursprünglich Wanda Szymanowiczówna gehörte, verfügte über einen geräumigen Flur, der mit Deckenaussparungen mit versteckter Beleuchtung ausgestattet war.

WhiteMAD/Mateusz Markowski

Der derzeitige technische Zustand des Mietshauses lässt viel zu wünschen übrig. Die Fassaden des Gebäudes sind verschmutzt und die Balkonplatten sind an vielen Stellen bröckelig und durchnässt. Die Keller sind ebenfalls sehr feucht, und das Gebäude muss dringend renoviert werden, um seine frühere Eleganz und seinen Charakter wieder zum Vorschein zu bringen.

Das Stadthaus ist ein wertvolles Beispiel für die Wohnarchitektur der Vorkriegszeit. Aufgrund seiner historischen und architektonischen Qualitäten wurde das Gebäude in die Denkmalliste eingetragen und beeindruckt noch heute mit Details, die für den modernistischen Stil der 1930er Jahre charakteristisch sind. Die dicht mit Kampf- und Granatenschäden bedeckten Fassaden sind eine ergreifende Erinnerung an die schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Es gibt immer weniger solcher Gebäude in der Landschaft der Hauptstadt, was den Wert des Gebäudes in der Berezyńska-Straße nur noch unterstreicht.

Quelle: zabytek.pl

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