Grzybowska-Straße 37: Auch dieses Gebäude konnte nicht gerettet werden

Warschau, insbesondere der Stadtteil Wola, war während des Zweiten Weltkriegs eines der am stärksten zerstörten Gebiete der Stadt. Zuvor dicht mit Mietskasernen und Industrieanlagen bebaut, wurde es nach dem Krieg zu einem Ruinenmeer mit wenigen erhaltenen Gebäuden, oft in schlechtem technischen Zustand. Einige dieser Gebäude wurden zwar beschädigt, überstanden aber die Zerstörungen der Nachkriegszeit und wurden wieder aufgebaut, um den Bewohnern der Hauptstadt noch jahrzehntelang zu dienen. Sie wurden als Warschauer Wahrzeichen bezeichnet. Kürzlich berichteten wir über das Mietshaus in der Grzybowska-Straße 46, das den Brand des Krieges überstanden hat, nun aber für die Verbreiterung der Straße abgerissen werden soll. Vor einigen Jahren wurde ein ähnlicher Kampf um das Gebäude in der Grzybowska-Straße 37 geführt. Es ist eines der wenigen Vorkriegsgebäude, die in dieser Straße erhalten geblieben sind. Das modernistische Mietshaus aus den 1930er Jahren wurde in das städtische Denkmalregister eingetragen, was seinen Abriss jedoch nicht verhindern konnte. An seiner Stelle wurde ein mehrstöckiges Hochhaus errichtet, und Warschau verlor damit ein weiteres historisch wertvolles Wahrzeichen Warschaus.

Grzybowska-Straße 37 – ein modernistisches Denkmal mit Geschichte

Das Mietshaus in der Grzybowska-Straße 37 wurde zwischen 1936 und 1937 nach Plänen der Architekten Józef Łowiński und Jerzy Ostrowski erbaut. Es war ein modernistisches Gebäude, das zu seiner Zeit als äußerst modern galt. Die Immobilie gehörte der Familie Tarasiewicz, den Eigentümern der bekannten polnischen Kaffeemarke „Pluton“. Die Geschichte des Unternehmens geht auf das Jahr 1882 zurück, als Wiktor Matyjewicz das Unternehmen gründete, das später von Tadeusz Tarasiewicz übernommen wurde. Auf dem Gelände, gleich hinter dem Mietshaus, befand sich eine Kaffeerösterei, die zu den größten der Branche im Vorkriegspolen gehörte. Der „Pluton“-Kaffee war unter Feinschmeckern hoch angesehen und seine Beliebtheit reichte sogar über die Landesgrenzen hinaus.

Foto: Google Maps

Grzybowska 37

Kriegszerstörung in Warschau und Wiederaufbau

Das Mietshaus und die angrenzende Fabrik wurden während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Das Vorderhaus war Teil des Warschauer Ghettos und wurde infolgedessen wiederholt von der deutschen Armee geplündert. Die Kaffeerösterei entging der Eingliederung in das Ghetto, wurde aber bei einem Bombenangriff zerstört. Während des Warschauer Aufstandes wurde das Tarasiewicz-Haus schwer beschädigt, konnte aber nach dem Krieg wieder aufgebaut und sogar um ein Stockwerk erweitert werden. Das Haus zeichnete sich durch eine moderne Architektur mit horizontalen Fensterbändern, einem vertikalen Treppenhausfenster (im Volksmund „Thermometer“ genannt) und einem von Pfeilern gestützten (später überbauten) Untergeschoss aus, in dem sich die Schaufenster befanden. An dieser Rückseite wurden Balkone angebracht. Das Gebäude blieb erhalten und wurde zu einem der Warschauer Ostańców und einer Handvoll Vorkriegsgebäude in der Grzybowska-Straße.

Der Streit um die Zukunft von Wolski Ostaniec

Viele Jahre lang wurde das Gebäude in das städtische Denkmalregister aufgenommen, um es vor dem Abriss zu schützen. Es wurden auch Bemühungen unternommen, es in das Denkmalregister einzutragen, aber bevor dies geschehen konnte, beschloss der Investor, es abzureißen. Letztendlich gelang es den Behörden in Wola nicht, das Vorkriegsgebäude zu retten. Die Information über den geplanten Abriss kam zu einem symbolträchtigen Zeitpunkt – am Internationalen Tag des Denkmalschutzes.

Neue Gebäude anstelle des Mietshauses

Im April 2019 begann der Abriss des Mietshauses. Mit ihm verschwand auch die Leuchtreklame der Speditionsarbeitsgenossenschaft „Polsped“. An der Stelle von Tarasiewiczs Haus wurde ein modernes 17-stöckiges Wohngebäude errichtet. Der Bauträger hat zwar die Form des alten Gebäudes nachgebildet, aber mit neuer Technik und modernen Ausbaumaterialien. Einem Passanten, der sich dessen nicht bewusst ist, fällt kaum auf, dass der schwarze Block unter dem überhängenden Wolkenkratzer das abgerissene Denkmal nachahmt.

Grzybowska 37 im Jahr 2017 und heute. Google Maps Foto

Grzybowska 37 – ein verlorenes Erbe

Der Abriss des Gebäudes in der Grzybowska-Straße 37 ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Hauptstadt ihre historischen Gebäude an die moderne Entwicklung verliert. Obwohl moderne Architektur ihren Platz in einer sich dynamisch entwickelnden Stadt hat, führt das Fehlen angemessener Mechanismen für den Schutz historischer Denkmäler zur Zerstörung der letzten Überreste des alten Warschaus. Der Fall des Tarasiewicz-Hauses bedeutet nicht nur den Verlust eines physischen Objekts, sondern auch eines Fragments der Stadtgeschichte, das künftigen Generationen als Denkmal hätte dienen können.

Quelle: Tu było, tu stało, och-historia.pl

Lesen Sie auch: Architektur | Mietskaserne | Modernismus | Geschichte | Warschau | Interessante Fakten