Auf dem Stettiner Platz des Sieges steht seit mehr als einem Jahrhundert ein Gebäude, das für die Bewohner der Stadt mehr als nur eine Kirche ist. Die Herz-Jesu-Kirche ist hier einfach als „Das Herz“ bekannt. Der modernistische Stahlbetonbau hat die Geschichte von Stettin aus mehreren Gründen geprägt.
Die Herz-Jesu-Kirche als Nachkriegsherz von Stettin
Die Herz-Jesu-Kirche war die erste Kirche, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihre Türen für die Gläubigen der zerstörten Stadt öffnete. So wurde sie schnell zu einem Bezugspunkt und einer Quelle der Ermutigung für die Masse der aus dem Osten vertriebenen Menschen. Bevor Stettin zur Hauptstadt der Diözese wurde und die in Trümmern liegende Kathedrale wieder in neuem Glanz erstrahlte (wir haben HIER darüber berichtet), war die Herz-Jesu-Kirche das wichtigste Zentrum des religiösen Lebens in der Stadt. Seit 1945 üben die Priester der Gesellschaft Christi für das ausländische Polen hier ihre pastorale Tätigkeit aus. Eine noch größere geistliche Bedeutung erlangte das Gotteshaus 1959, als hier eine der ersten Kapellen für die ewige Anbetung des Allerheiligsten in Polen eingerichtet wurde. Hier fand das Leben vieler Gläubiger einen neuen Anfang. Die Einzigartigkeit des Ortes wurde bestätigt, als das Gebäude 1998 zum ersten Heiligtum des Heiligsten Herzens Jesu in Polen erklärt wurde.
Der bahnbrechende Bau und die Anfänge der Kirche
Die Entstehungsgeschichte der Kirche geht auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Die Entscheidung, eine neue Garnisonkirche zu bauen, wurde zu einer Zeit getroffen, als die bestehende Kirche, die diese Funktion erfüllte, dringend renoviert werden musste. Als Standort für die geplante Investition wurde seinerzeit ein Ort von großer Bedeutung gewählt. Es handelte sich um ein Grundstück am Rande des ehemaligen Soldatenfriedhofs. Der Grundstein für die Kirche wurde im Herbst 1913 gelegt. Der Architekt Bernat Stahl stand hinter dem Projekt, und die treibende Kraft hinter dem Vorhaben waren die finanziellen Mittel von Gustav Toepfer, einem Förderer von Portlandzement. Der Bauherr beschloss, die Baukosten zu übernehmen, um die Preußen von der revolutionären neuen Bauweise zu überzeugen. Die Herz-Jesu-Kirche wurde in Stahlbetonbauweise errichtet, eine für die damalige Zeit bahnbrechende Lösung. Es wird vermutet, dass es sich um den ersten Sakralbau dieser Art im damaligen Preußen und um einen der frühesten in ganz Europa handelt.

Ein Klotz wie eine Verteidigungszitadelle
Architektonisch steht die Kirche für die frühe Moderne, obwohl auch Anklänge an frühere Stile zu finden sind. Sie wurde überwiegend aus Stahlbeton gebaut und hat einen rechteckigen Grundriss mit einem halbrunden Chor und einem massiven, breiten Turm im Süden. Das Gebäude erweckt den Eindruck einer Art Zitadelle oder eines Gebäudes mit Verteidigungsanlagen. Diese Mächtigkeit und Kompaktheit, die durch den rauen grauen Verputz und die relativ kleinen Fenster noch unterstrichen wird, erinnert an das mittelalterliche deutsche Westwerk (ein massiver Westteil der Kirche, der für die vorromanische Architektur charakteristisch ist und quer zum Kirchenschiff steht). Der Eindruck des wehrhaften Charakters des Gebäudes wird durch zwei ovale Treppenhäuser verstärkt, die den gedrungenen Turm im Osten und Westen flankieren. Die architektonischen Details der Fassade imitieren bewusst die Bindung der massiven Steinbalken, was den strengen Charakter der Gesamtkomposition noch verstärkt. Außerdem befindet sich über dem Haupteingang ein Flachrelief, das den Kampf zwischen dem Heiligen Georg und dem Drachen darstellt. Das Giebeldach der Kirche, das ursprünglich mit Ziegeln gedeckt war, wurde 1980 mit Kupferblech bedeckt. Auf der Spitze des Glockenturms erhebt sich stolz ein großes Kreuz, das ebenfalls mit Kupfer verkleidet ist. Im Inneren des Turms läuten seit 1986 vier Glocken: „Herz Jesu“, „Königin von Polen“, „St. Maximilian“ und „Johannes Paul II“.
Innenraum wie ein riesiges Zelt
Wenn man die Kirche betritt, ist der Kontrast zur äußeren Strenge deutlich spürbar. Der dreischiffige, durch Säulenreihen gegliederte Innenraum ist geräumig und hell, und die gewölbte Decke, die von Stahlbetonwänden getragen wird, spannt sich wie ein leichtes Zelt über die Gottesdienstbesucher. Die sanft geschwungenen Linien wiederholen sich in der Form der Arkaden zwischen den Schiffen und in den Konturen der Fenster. Die ursprünglich bescheidene Dekoration (im Einklang mit der puristischen Ästhetik der Garnisonkirche) wurde nach dem Krieg erheblich verändert und bereichert. Im Altarraum befindet sich ein neugotischer Altaraufsatz mit der Darstellung des letzten Abendmahls, der in den 1940er Jahren aus der zerstörten Kirche St. Johannes der Täufer hierher gebracht wurde. Außerdem fallen die zeitgenössischen Fresken ins Auge, die Christus umgeben von Engeln und Heiligen über dem Regenbogenbogen darstellen. Das markante Kassettengewölbe ist mit einer zarten Blumenmalerei verziert. Das Innere des Gebäudes wird von Buntglasfenstern aus der Nachkriegszeit erhellt, und der große Musikchor wird von einer Orgel dominiert. Die Arbeiten an der heutigen Ausstattung wurden von verschiedenen Pfarrern der Gesellschaft Christi durchgeführt. Nach dem Jahr 2000 wurde ein neuer Teil an der Nordseite angebaut. Das Erdgeschoss wurde als katholische Buchhandlung und das Erdgeschoss als Versammlungsraum genutzt. Das Projekt wurde von dem Architekten Maciej Płotkowiak vorbereitet.
Herz-Jesu-Kirche: ein Ort der Begegnung
Heute ist die Herz-Jesu-Kirche vom Leben der Gläubigen geprägt. Neben ihrem täglichen Dienst als Pfarrkirche und Wallfahrtsort spielt sie auch eine wichtige Rolle als akademisches Zentrum, in dem Studenten aus ganz Stettin zusammenkommen. Berühmt ist das Gotteshaus auch für seine jährlichen spektakulären Weihnachtskrippen mit lebenden Tieren und Schauspielern, die viele Menschen anziehen.
Quelle: nspj.szczecin.pl, zabytek.pl
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Blick auf die Herz-Jesu-Kirche in den Jahren 1919 und 2024. Quelle: Digitale Bibliothek Mecklenburg-Vorpommern und Google Maps
Platz des Sieges und der Turm der Garnisonkirche, 1920er Jahre und heute. Quelle: Bundesarchiv und Google Maps
Blick auf den Altar in den späten 1950er Jahren und heute. Quelle: Mariusz Brzezinski/photopolska.eu und David Castor, CC0, via Wikimedia Commons