Im Jahr 2006, in der Endphase der Umgestaltung des Bahnhofs St. Pancras in London, beschloss die staatliche Eisenbahngesellschaft London and Continental Railways, eine Skulptur unter der historischen Uhr in Auftrag zu geben. Einer der an dem Projekt beteiligten Architekten schlug den Namen von Paul Day vor, woraufhin der Künstler zur Mitarbeit eingeladen wurde. Kurze Zeit später, im November 2007, war die Skulptur fertig. Der Treffpunkt wurde offiziell von Königin Elisabeth II. enthüllt.
Geschichte und Architektur von St. Pancras
Der Bahnhof St. Pancras, seit 2007 unter dem Namen London St. Pancras International bekannt, befindet sich im Stadtteil Camden an der Euston Road. Der Bahnhof wurde von der Midland Railway Company als Endstation für ihre Verbindungen nach Nordengland gebaut. Die Entscheidung, den Bahnhof zu bauen, fiel nach logistischen Schwierigkeiten, die während der Weltausstellung 1862 in London auftraten. Der Entwurf für den neuen Bahnhof stammte von dem englischen Ingenieur William Henry Barlow. Das Eisendach, das die Bahnsteige überspannt, war eine der größten Konstruktionen dieser Art, die im 19. Als der Bahnhof St. Pancras 1868 eröffnet wurde, war die Überdachung beeindruckende 210 Meter lang, 73 Meter breit und über 30 Meter hoch.
Anerkennung für den neuen Komplex
Ein integraler und phänomenaler Bestandteil des Komplexes war das wahnsinnig luxuriöse Midland Grand Hotel. Das neugotische, fast palastartige Gebäude wurde von dem britischen Architekten George Gilbert Scott entworfen, der unter anderem für die Neugestaltung der Westminster Abbey verantwortlich war. Der Bahnhofskomplex wurde sowohl in Großbritannien als auch im Ausland sehr gelobt. Reisende und Londoner schätzten seine feinen architektonischen Merkmale und modernen Lösungen. Das Gebäude steht heute als „Grade I listed building“ im Heritage Register.

Der drohende Abriss und der Kampf um den Erhalt des Hotels
Die turbulenten Zeiten des 20. Jahrhunderts bedrohten die Existenz des Bahnhofs St. Pancras mehrfach. In beiden Weltkriegen wurde das Gebäude durch Fliegerbomben beschädigt, und in den 1960er Jahren gab es sogar Pläne, es abzureißen. Die Gründe dafür waren der schlechte Zustand des Bahnhofs und des benachbarten Hotels, die abnehmende Bedeutung des Bahnhofs und die geringen Besucherzahlen sowie große Pläne zur Modernisierung des gesamten Viertels. Dank der Bemühungen der Victorian Society und Einzelpersonen wie Jane Hughes Fawcett und John Betjeman konnte diese Entscheidung jedoch rückgängig gemacht werden. Zehn Tage vor dem geplanten Abriss wurde dem Gebäude der Status eines Wahrzeichens verliehen.
Modernisierung für das 21. Jahrhundert
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde der in die Jahre gekommene Bahnhof einer umfassenden Modernisierung unterzogen. Mit den 800 Millionen Pfund teuren Arbeiten sollte der Bahnhof zu einem Terminal für Hochgeschwindigkeitszüge umgebaut werden, die auch den Kanaltunnel anfahren. Die feierliche Eröffnung der renovierten Anlage fand im November 2007 in Anwesenheit von Königin Elisabeth II. statt. Nach dem Umbau erhielt der Bahnhof 15 Bahnsteige, einen Einkaufsbereich und einen Busbahnhof. Heute gilt St. Pancras als eines der Wahrzeichen der viktorianischen Architektur in London.
The Meeting Place – eine neue Skulptur im Bahnhof
Der Höhepunkt einer umfassenden Neugestaltung des Bahnhofs war die Schaffung der Skulptur The Meeting Place des britischen Bildhauers Paul Day. Die 9 Meter hohe und 20 Tonnen schwere Bronzeskulptur steht am südlichen Ende der oberen Ebene des Bahnhofs, direkt unter der historischen Uhr. Das Werk stellt ein sich umarmendes Paar dar und symbolisiert die Gefühle des Abschieds und der Rückkehr, die für Bahnreisen charakteristisch sind. Das Werk sollte, so der Autor, „den romantischen Geist des Reisens einfangen“, eine Ikone mit internationalem Wiedererkennungswert sein und den Reisenden nahe stehen, die sich mit ihm identifizieren können. Aufgrund des engen Zeitplans erfolgte die Verwirklichung der Skulptur in zwei Etappen. Die Statue selbst wurde noch vor der offiziellen Eröffnung des Bahnhofs aufgestellt, während der Sockel mit dem Fries in den folgenden 18 Monaten noch geschaffen wurde. Interessanterweise handelt es sich bei den Figuren auf der Skulptur um den Künstler selbst und seine Frau.
Gemischte Reaktionen der Kritiker
Die Kosten für die Realisierung von The Meeting Place werden auf etwa 1 Million Pfund geschätzt. Trotz seines beeindruckenden Ausmaßes und seiner Platzierung an einem prominenten Bahnhofsstandort wurde das Werk von Day unterschiedlich aufgenommen. Einige Kritiker warfen ihm vor, zu oberflächlich und sentimental zu sein. Der Bildhauer Antony Gormley bezeichnete die Skulptur als kitschig, der Schriftsteller und Kunsthistoriker Tim Marlow nannte sie kitschig und der Künstler Jeremy Deller stellte jeglichen künstlerischen Wert in Frage.
Der umstrittene Fries und seine Neuinterpretation
Auch die Gestaltung des Frieses, das den Sockel schmückt, war sehr umstritten. Ursprünglich zeigte es die Szene einer Figur, die unter eine herannahende U-Bahn stürzt, die vom Sensenmann angeführt wird. Paul Day erklärte die Komposition als metaphorische Darstellung der menschlichen Vorstellungskraft, beschloss aber nach der Kritik, den Entwurf zu ändern. Der endgültige Fries zeigt Szenen, die mit der Geschichte des Bahnhofs St. Pancras und dem täglichen Leben der Reisenden zu tun haben, darunter ein betrunkener Mann, der an einem Zug vorbei torkelt, ein Mann, der versucht, sich aus Liebe das Leben zu nehmen, Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs an die Front gehen, und Szenen der Evakuierung nach den Bombenanschlägen auf die Londoner U-Bahn am 7. Juli 2005. Der Künstler schuf diesen Fries, um seinem Werk eine erzählerische und realistische Ebene hinzuzufügen – einen Kontrapunkt zu dem großen, romantischen Paar darüber. Das Werk, das den Sockel umgibt, ist voller Leben, kleiner Geschichten und Details, die neugierig machen und dazu einladen, genauer hinzusehen und die Figuren in den Szenen sogar zu berühren.
The Meeting Place – eine Skulptur, die die Zuneigung des Publikums gewonnen hat
Trotz einiger negativer Kritiken aus der Kunstszene gewann die Skulptur schließlich an Sympathie und Beliebtheit bei Reisenden und Touristen. Im Jahr 2011 wurde St. Pancras in dem von Lonely Planet herausgegebenen Reiseführer The World’s Most Romantic Spots als einer der romantischsten Treffpunkte der Welt bezeichnet, wobei The Meeting Place eine wichtige Rolle bei dieser Bewertung spielte.
Quelle: stpancras-highspeed.de, pauldaysculpture.de
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