Der italienische Modernismus der 1920er und 1930er Jahre brachte eine neue Sichtweise der Funktionalität, Ästhetik und Beziehung zur Umwelt in die Architektur ein. Die in dieser Zeit errichteten Gebäude zeichnen sich durch Eleganz, Schlichtheit und den geschickten Einsatz moderner Materialien aus. Eines der interessantesten Beispiele für diesen Trend ist der Flughafen Giovanni Nicelli in Venedig, der noch heute durch seinen Stil und seine unglaublich reiche Geschichte beeindruckt.
Die Ursprünge der Luftfahrt am Lido in Venedig
Der erste Flug über Venedig fand im Jahr 1911 statt, als Alessandro Umberto Cagno den Markusdom überflog. Einige Jahre später, während des Ersten Weltkriegs, wurde das Gelände von Forte San Nicolò am Lido zu einem provisorischen Flugplatz, der zur Verteidigung der Stadt genutzt wurde. Von hier aus starteten französische Geschwader, und Gabriele D’Annunzio richtete hier den Stützpunkt des Ersten Lufttorpedogeschwaders der Marine ein. Nach dem Krieg begann man, das Potenzial des Ortes zu erkennen. Die Lage, umgeben von einer Festung aus dem 16. Jahrhundert, bot die Möglichkeit, den Stützpunkt in einen regulären Flughafen umzuwandeln, der das wachsende Passagieraufkommen bewältigen konnte.
Die Geburt des Flughafens Nicelli
Im Jahr 1926 erstellte der Ingenieur Renato Morandi den Entwurf für den neuen Flughafen. Im selben Jahr wurde der Flughafen für den zivilen Luftverkehr eröffnet und etablierte sich schnell als einer der wichtigsten in ganz Italien. Von hier aus operierte die Fluggesellschaft Transadriatica, die später in Ala Littoria und nach dem Krieg in Alitalia umbenannt wurde. Regelmäßige Flüge verbanden Venedig mit Wien sowie mit kleineren Städten im Adriabecken. Die offizielle Eröffnung des Passagierbahnhofs fand 1935 statt. Das von Mario Emmer entworfene Gebäude galt als das modernste des Landes. Jedes Element, von der Architektur bis zur Inneneinrichtung, wurde mit größter Sorgfalt ausgearbeitet. Die Wände waren mit Gemälden des Futuristen Tato geschmückt, die sich auf das Thema Luftfahrt bezogen. Nicelli wurde schnell zu einem Symbol der italienischen Modernität. Auf diesem Flughafen trafen sich Hitler und Mussolini zum ersten Mal in der Geschichte Auge in Auge.
Der Flughafen Giovanni Nicelli in Venedig – Schicksal in der Kriegs- und Nachkriegszeit
Nach dem Sturz des Mussolini-Regimes wurde der Flughafen von deutschen Truppen besetzt. Ein Teil der Ausrüstung wurde zerstört, aber dank des Mutes der Arbeiter konnte die Start- und Landebahn vor der Sprengung und damit vor der Lahmlegung des gesamten Komplexes bewahrt werden. Nach dem Krieg diente der Flughafen bis 1946 als Kommunikationsbasis für die Briten und Amerikaner. In den folgenden Jahrzehnten begann seine Bedeutung jedoch zu sinken. In den 1950er und 1960er Jahren wich Nicelli allmählich dem neuen Flughafen Tessera, der den Passagier- und Handelsverkehr übernahm. Der Flughafen von Venedig blieb dann in der Verantwortung des Militärs und der Luftfahrtorganisationen und wurde zu einem Übungsplatz für Piloten und Fallschirmjäger. Trotz des Verfalls der Gebäude und der Infrastruktur wurde der Hafen nie ganz geschlossen.
Rettung und Wiedergeburt
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es eine Initiative zur Wiederherstellung des Flughafens in seinem früheren Glanz. Im Jahr 1998 begannen umfangreiche Renovierungsarbeiten, die fast ein Jahrzehnt andauerten. Ihr Ziel war es, den modernistischen Charakter des Terminalgebäudes zu bewahren und seine Eleganz aus den 1930er Jahren wiederherzustellen. Die Innenräume und Terrassen wurden daher restauriert, während die verlorenen Werke von Tato in Form von Repliken zurückkehrten. Im Jahr 2007 wurden die Restaurierungsarbeiten offiziell abgeschlossen und der Flughafen wurde wieder in Betrieb genommen, nun als ein Ort, der Luftfahrt und Kultur verbindet. Heute wird die Anlage für Privatflüge sowie künstlerische und gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt. Die Gärten und Innenräume dienen als Kulisse für Ausstellungen, Bankette und Filmdrehs.
Die zeitgenössische Bedeutung von Nicelli
Derzeit werden weitere Projekte durchgeführt, um Nicelli in ein modernes Drehkreuz für die private Luftfahrt zu verwandeln. Dabei behält der Hafen seinen historischen Charakter, der ihn von modernen Anlagen unterscheidet. Im Jahr 2014 wurde er von der BBC zu einem der zehn schönsten Flughäfen der Welt gekürt. Für Venedig und seine Bewohner ist er vor allem ein lebendiges Denkmal der lokalen Moderne, ein Zeugnis der Geschichte der Luftfahrt und ein Ort, der mit seiner außergewöhnlichen Atmosphäre voller wunderbarer Geschichte in luftiger Höhe weiterhin Besucher anzieht.
Quelle: aeroportonicelli.com, visitlido.it
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