Eine Landschaft aus Einfamilienhaussiedlungen und Wohnblöcken, durchsetzt mit einer Abfolge von Mülldeponien und Grüninseln. Urbanes Chaos und ästhetisches Getöse… So lässt sich die Landschaft des Schwarzwalds, eines der Stadtteile von Ruda Śląska, kurz beschreiben. Die meisten Vororte anderer polnischer Städte lassen sich auf ähnliche Weise beschreiben. Wie kann man an solchen Orten wertvolle Architektur schaffen? Die Antwort ist ein Vorschlag der Architekten des Studios BaH, die Entwürfe für ein Einfamilienhaus und zwei Doppelhaushälften erarbeitet haben. Sie schufen minimalistische weiße Häuser, die den architektonischen Ton des Schwarzwaldviertels in Ruda Śląska abmildern
Das von den Architekten vorgeschlagene Gebäude ist ein Designmanifest. Sie haben beschlossen, sich nicht auf einen Dialog mit der Kakophonie der Formen, Texturen und Farben einzulassen und stattdessen dem räumlichen Lärm weitere Töne hinzuzufügen – etwas Stille einzuführen. Die strengen, monochromen Volumen – ohne überflüssige Farben und Ornamente – sind eine räumliche Darstellung des formalen und farblichen Minimums. Es handelt sich um eine Architektur des Kontrasts, eine gestalterische Tabula rasa, die einen neuen visuellen Standard in einem ungeordneten Raum setzt.
Wenn sich visueller Lärm in einer Vielzahl plastischer Motive manifestiert: divergierende Linien von Dächern und Fassaden, ein Übermaß an Farben, eine Vielfalt von Texturen, disharmonische Proportionen – sowohl von Körpern als auch des Raums zwischen ihnen -, dann wird sich visuelle Stille im Raum mit Elementen vom entgegengesetzten Ende des Spektrums manifestieren. Das volle Erleben all dieser positiven Werte ist jedoch ohne eine angemessene Vorbereitung nicht möglich. Aus diesem Grund ist die Struktur des Gebäudes so angelegt, dass der Nutzer zunächst vom störenden Lärm abgeschnitten wird und dann nach und nach in Räume gelangt, die ihm die Möglichkeit geben, sich zu entspannen und sich auf den gegenwärtigen Moment einzulassen. Die symbolische und formale Grenze, eine Art akustischer Schirm, ist ein hohes Zaunband, das hier und da in die Außenwand des Gebäudes übergeht und mit einer entschiedenen Bewegung den Raum der asketischen Wohnenklave von der schwülen Umgebung abtrennt. Die horizontale Linie des Zauns ähnelt der Form eines Podiums, auf dem die kubischen Volumen des Obergeschosses stehen. Diese visuelle Überhöhung des Gebäudes verstärkt den Eindruck der Trennung von der Umgebung noch, diesmal auf einer vertikalen Ebene.
Von vorne betrachtet erinnert der gesamte Komplex an einen unzugänglichen Monolithen, der mit zunehmender Tiefe des Grundstücks, vom öffentlichen Eingangsbereich bis zum privaten Gartenbereich, immer durchlässiger und nach außen hin offener wird. Die Eingänge zum Gebäude werden durch Arkaden in Form eines intimen Innenhofs oder einer überdachten Nische signalisiert, die die ersten „Risse“ im kompakten Monolithen ankündigen, ohne den Eindruck der Unzugänglichkeit des fensterlosen Sockels und der schweren Auskragung darüber aufzuheben.
Im weiteren Verlauf findet sich der Betrachter, der in die Tiefe des Gebäudes eindringt, in einer Eingangszone wieder, die von einer Sichtachse durchzogen ist, die in einer Öffnung zum Garten am anderen Ende des Gebäudes endet, so dass er in einer indirekten Beziehung zum Außenraum bleibt. Das Licht ist hier diffus und dringt durch eine Türöffnung am Ende des Ganges. Der Korridor geht dann in den lichtdurchfluteten Wohnbereich mit seinen großen Fenstern über, die sich zu den halboffenen Terrassen öffnen, die diesmal bereits eine direkte Interaktion mit dem Außenraum ermöglichen. Diese Art der Ausformung des Gebäudegrundrisses, bei der der innere Tagesraum des Gebäudes mit den kubischen, zurückgesetzten Fäden der Patios durchsetzt ist, ermöglicht eine bewusste Gestaltung der Rahmen, denen der Nutzer ausgesetzt ist.
Die intimen Räume der Innenhöfe mit ihrer geschlossenen Komposition erlauben die volle Kontrolle über die Anordnung der Grün- und Kleinarchitekturen, wie bewusst und harmonisch komponierte Rahmen der Malerei. Die Tektonik des Innenraums wird ebenso wie die des Außenraums in einem asketischen Stil gehalten. Durch die Beschränkung der künstlerischen Ausdrucksmittel soll eine neutrale Hintergrundarchitektur geschaffen werden, die es ermöglicht, zur Ruhe zu kommen und das beruhigende Grün des Gartens zu bewundern. Dieser Effekt wurde durch die Beachtung einer vollständigen Harmonie der Proportionen, der Synthese von Linien, Details und Texturen erreicht. Wichtig ist auch der bewusste Einsatz des Lichts, dessen Intensität in den einzelnen Räumen unter Berücksichtigung ihres Charakters allmählich zunimmt, und die Beschränkung der Farbpalette auf Weiß, das die grüne Umgebung kontrastreich hervorhebt. So kann der Weg durch das Gebäude mit einer abrupten Isolierung des Betrachters vom visuellen Lärm verglichen werden, um ihn allmählich in ein harmonisches Äußeres zu bändigen.
Ein weiterer entscheidender Vorteil der Gestaltung des Gebäudes nach dem Prinzip der Verflechtung des Positivs des Volumens und des Negativs des Innenhofs besteht darin, dass die Leere des Innenhofs eine Art grünen Puffer bildet, der die Nutzer vor den neugierigen Blicken der Nachbarschaft schützt. Die den Nachbargrundstücken zugewandten Fassaden sind fensterlos geplant, während die Fenster des Gebäudes größtenteils in die den Innenhöfen zugewandten Wände eingelassen sind. Dank dieser Konstruktion öffnen sich die Fenster meist zu den Innenhöfen hin, und im Falle einer Exposition gegenüber dem Nachbargrundstück wird das Fenster auf etwa 7-8 Meter von der Grenze zurückgezogen (statt der gesetzlich vorgeschriebenen 4 Meter) und durch grüne Innenhofkompositionen verdeckt.
Das Herzstück des Einfamilienhauses ist der zweigeschossige Wohnbereich mit einem langen, zehnsitzigen Esstisch, einer Küchenzeile mit großer Insel und einem darüber liegenden Zwischengeschoss. Der Wohnbereich öffnet sich durch großflächige Verglasungen zu den Außenterrassen. An den Essbereich schließt sich im Süden eine eingeschossige Nische mit Sitzgelegenheit an, gefolgt von einer nach Süden ausgerichteten Terrasse als indirekte Fortsetzung des Wohnbereichs. Die Terrassen liegen zwar im Freien, können aber durch ihren teilweisen Schutz vor Witterungseinflüssen und ihre unmittelbare Nähe zum Wohnbereich wie ein Außenwohnbereich behandelt werden.
Der Grundriss des Wohnbereichs basiert auf einem kreuzförmigen Grundriss mit einem repräsentativen Esszimmer im Schnittpunkt seiner Arme. Zwischen den Schenkeln des Wohnbereichs befinden sich vier Funktionsblöcke, die den Eingangsbereich, den Garagenbereich und die Bereiche der Eltern- und Kinderzimmer umfassen.
Die Schlafbereiche haben Öffnungen zu den Terrassen im Norden und zum Garten im Süden. Diese Anordnung der funktionalen Gliederung des Gebäudes ist eine Reminiszenz an den zentralen Grundriss. Die größte Ähnlichkeit besteht in dem deutlich höheren Volumen im Zentrum des Hauses, das durch die nach allen vier Himmelsrichtungen ausgerichteten und auf verschiedenen Ebenen angeordneten Fenster mit Tageslicht durchflutet wird und den zentralen Bereich des Hauses ganztägig und mehrdimensional beleuchtet. An den zentral gelegenen zweigeschossigen Raum schließen sich zudem wie ein Gang eingeschossige Rücksprünge an, die in der Nord-Süd-Achse einen Aufenthaltsraum und eine Kochnische und in der Ost-West-Achse Terrassen aufweisen.
Die Doppelhaushälften sind höhere, zweigeschossige Gebäude. Das funktionale Schema setzt das Motiv der Nischen fort – diesmal werden die positiven Innenräume von den negativen in Form von Außenterrassen durchsetzt.
Im Erdgeschoss der Häuser gibt es einen Eingangs- und Technikbereich im Norden und einen Wohnbereich mit einem Wohnzimmer mit Kochnische und angrenzenden Terrassen. Im ersten Stock hingegen befindet sich der Nachtbereich mit dem Hauptschlafzimmer und zwei Kinderzimmern, die mit Badezimmern und Ankleideräumen ausgestattet sind.
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Über das Studio: BaH Studio ist ein junges Studio mit Sitz in Kattowitz, das auf der Grundlage der in verschiedenen Studios in Polen und im Ausland gesammelten Erfahrungen nach neuen und ungewöhnlichen Lösungen für architektonische Probleme sucht. Durch ihre Erfahrung streben sie nicht nur danach, Designer zu sein, sondern eine Art Medium, das die Welten von Kultur, Kunst, Architektur und Natur in Einklang bringt. Sie beschränken sich nicht auf typische Lösungen und suchen nach dem verborgenen Wert eines jeden Objekts, an dem sie arbeiten. Dies führt sie, wie sie sagen, oft zu neuen und innovativen Ideen, die ihre Kunden positiv überraschen.
entwurf: BaH Studio
team: Mateusz Białek, Marcin Harnasz, Łukasz Marjański, Aleksandra Kapuścik, Katarzyna Marcol, Mikołaj Baczyński, Kacper Groń
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