Vor nicht allzu langer Zeit hätte niemand gedacht, dass der barocke Neptun, der jahrzehntelang den Nowy-Targ-Platz schmückte, jemals wieder an seinen Platz zurückkehren würde. Und doch! Die seit den Kriegswirren verschollen geglaubte Skulptur wurde vor kurzem unerwartet in einem niederschlesischen Dorf gefunden. Das zerstückelte Kunstwerk wurde daraufhin nach Wrocław transportiert, um schließlich an seinen früheren Platz zurückgebracht zu werden. Die Stadtverwaltung beschloss, die Neptunstatue in ihrer historischen Form zu rekonstruieren und dabei authentische Fragmente aus dem 18.
Vom Schlosspark zum städtischen Lagerhaus
Die Geschichte begann mit einem archivarischen Hinweis in einer alten Zeitung. Tomasz Sielicki, ein Historiker mit einer Vorliebe für urbane Legenden, stieß auf eine Notiz, die besagte, dass die ursprüngliche Neptunstatue im Park neben dem Schloss in Wielowieś Średnia gelandet war. Der Hinweis erwies sich als richtig. Im dichten Gebüsch, unter einer Moos- und Erdschicht, stießen die Archäologen auf verstreute Fragmente: eine Hand mit Dreizack, Meerjungfrauen, Tritonen und die Reste einer Muschel. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich nicht um die 1945 bei der Belagerung der Festung Breslau zerstörte Statue handelte, sondern um ein früheres Original – eine barocke Version des Brunnens, die im Laufe der Zeit durch eine Kopie ersetzt worden war. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die beschädigte Skulptur einfach aus Wrocław herausgebracht. Sie überlebte jahrzehntelang an ihrem neuen Standort, bis sie von einem Sturm umgeworfen wurde. Eine Entdeckung im Jahr 2022 änderte alles.

Neptun mit Breslau im Hintergrund
Obwohl Neptun im 18. Jahrhundert als Zierde des Stadtbrunnens auf den Nowy-Targ-Platz kam, gewann er nicht sofort die Sympathie der Öffentlichkeit. Ganz im Gegenteil. Die Figur der nackten Gottheit, die nur teilweise von einem gewellten Gewand bedeckt war, erregte Empörung. Manche hielten sie sogar für den leibhaftigen Teufel. Vandalen zerstörten die Skulptur so oft, dass die Stadt einen speziellen Wächter einstellen musste. Mit der Zeit änderte sich jedoch die Haltung der Breslauer Bürger gegenüber Neptun. Unter dem Spitznamen „Jurek mit der Heugabel“ wurde er zu einem lokalen Helden. Er tauchte in Geschichten auf, nahm an Silvesterumzügen teil und sein Sockel diente als provisorische Tribüne. Auf Postkarten aus dieser Zeit ist Neptun fast so oft zu sehen wie das Rathaus.
Rekonstruktion nach dem Vorbild des Originals
Die gefundenen Fragmente der Statue wurden von Wielowieś Średnie nach Wrocław transportiert und werden im Depot des Stadtmuseums aufbewahrt, wo sie untersucht und konserviert wurden. Sie bildeten den Ausgangspunkt für eine Petition zum Wiederaufbau des Brunnens, die vom Verein der Breslauer Geschichtsliebhaber eingereicht wurde. Die Stadtverwaltung überlegte lange: Sollte man sich für eine zeitgenössische Neuinterpretation entscheiden oder zum historischen Aussehen des Brunnens zurückkehren? Letztendlich setzte sich die zweite Option durch, und Neptun wird originalgetreu nach Nowy Targ zurückkehren. Die Skulptur wird in der Mitte des Platzes stehen, der seit kurzem ein neues, grüneres Gesicht bekommen hat.
Die technischen Details und Kostenvoranschläge werden noch ausgearbeitet, aber eines ist sicher: Neptun wird zurückkehren. Nicht als Kopie und nicht als moderne Variante, sondern als rekonstruierte Geschichte von Wrocław, dessen Geist mehr überlebt hat, als es schien.
Quelle: wroclaw.pl
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