Die WuWA-Siedlung (Wohnungs- und Werkraumausstellung) wurde 1929 in Wrocław im Rahmen der internationalen Bewegung der Moderne gegründet. Sie war ein einzigartiges städtebauliches Experiment, das darauf abzielte, neue, funktionale Wohnkonzepte zu präsentieren, die den Bedürfnissen der damaligen Gesellschaft entsprachen. WuWA war eine von sechs ähnlichen Wohnsiedlungen, die zu dieser Zeit in Europa gebaut wurden, neben Städten wie Stuttgart, Brünn, Zürich, Prag und Wien.
Zielsetzung und städtebauliches Konzept
Mit der WuWA-Siedlung sollten neue, wirtschaftliche und funktionale Lösungen im Wohnungsbau präsentiert werden. Der städtebauliche Entwurf von Adolf Rading und Heinrich Lauterbach sah sowohl den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern als auch von Mehrfamilienhäusern vor. Ziel war es, Wohnraum zu schaffen, der der wachsenden Nachfrage nach preiswertem Wohnraum gerecht wird und moderne Bautechnologien fördert.
Im Rahmen der Siedlung wurden 37 Gebäude errichtet, darunter Einfamilien-, Zweifamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser sowie ein eingeschossiger Kindergarten. Jedes der Gebäude sollte den Grundsätzen des Funktionalismus entsprechen – sie waren einfach in der Form, ohne überflüssige Verzierungen, und ihre Innenräume waren auf maximalen Komfort für die Nutzer ausgelegt. Eine weitere Besonderheit der Wohnsiedlung war die durchdachte Raumaufteilung – jede Familie hatte Zugang zu Gärten, und der Raum zwischen den Gebäuden war für Erholungsflächen vorgesehen.
Blick auf den für die WuWa-Ausstellung 1929 errichteten Gebäudekomplex. Quelle: Herder Institut – Marburg
Architekten und Projekte
Für die Realisierung der Siedlung wurden elf Architekten eingeladen, denen ein großer Gestaltungsspielraum eingeräumt wurde. Zu ihnen gehörten Hans Scharoun, Adolf Rading, Heinrich Lauterbach, Emil Lange, Gustav Wolf und Paul Häusler. Jeder von ihnen brachte seine eigenen innovativen Lösungen in das Projekt ein, das darauf abzielte, Ästhetik mit Funktionalität zu verbinden.
Hans Scharoun entwarf ein innovatives Hotelhaus (Nr. 31), das für kinderlose Familien und Alleinstehende gedacht war. Adolf Rading schuf ein Haus (Nr. 7), das auf der Idee einer „sozialisierenden“ Wohnfunktion basiert und einen gemeinschaftlichen Lebensstil fördert. Paul Heim und Albert Kempter präsentierten ein Galeriewohnhaus (Nr. 1), das sich durch seine innovative Erschließung auszeichnete.
Das Gebäude Nr. 7 im Jahr 1929 und heute, nach einer umfassenden Rekonstruktion. Foto von Heinrich Klette und anderen, CC BY-SA 3.0, über Wikimedia Commons und SchiDD, CC BY-SA 4.0, über Wikimedia Commons
Konstruktion und Materialien
Die WuWA-Siedlung zeichnete sich durch den Einsatz moderner Baumethoden aus, die sowohl wirtschaftlich als auch innovativ sein sollten. Die Architekten experimentierten mit vorgefertigten Elementen, Holzrahmenbauweise und großflächigen Ausfachungen. Einige der Gebäude wurden in Holzrahmenbauweise errichtet, während andere auf Stahl- oder Stahlbetonrahmen basieren.
Diese innovativen Lösungen haben sich in der Praxis jedoch nicht immer bewährt. Probleme mit Feuchtigkeit, gefrierenden Wänden oder Flachdächern, die das Wasser nur schwer ableiten konnten, wurden zu einer Herausforderung für die Bewohner. Materialien, die in wärmeren Regionen Europas gut funktionierten, kamen mit dem rauen Klima in Wrocław nicht zurecht.
Galerie Mietshaus Nr. 1 im Jahr 1929 und heute. Quelle: Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit Bonn&Berlin und mamik/fotopolska.eu, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Inneneinrichtung und Mobiliar
Ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung der WuWA-Siedlung war auch die Anpassung der Innenräume an die modernen Bedürfnisse der Bewohner. Die kleinen Wohnungen konnten nicht mit massiven, traditionellen Möbeln ausgestattet werden – an ihre Stelle traten leichte, funktionale Möbel aus Stahlrohr oder gebogenem Holz. Die Inneneinrichtung sollte für alle zugänglich sein, was in der Praxis bedeutete, dass Möbel aus der Massenproduktion gefördert wurden.
Heinrich Klette, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Heinrich Klette, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Auch bei der Raumaufteilung haben die Architekten versucht, innovative Lösungen einzuführen. Die Tages- und Nachtfunktionen der Wohnungen wurden klar voneinander getrennt, und die Wohnzimmer wurden zu Terrassen und Gärten hin geöffnet, um die Nutzung des natürlichen Lichts zu maximieren.
Mehrfamilienhaus Nr. 3-6 im Jahr 2013 und nach der Renovierung im Jahr 2019. Foto Neo[EZN]/fotopolska.eu
Bedeutung und Erbe
Obwohl die WuWA-Siedlung vor fast 100 Jahren fertig gestellt wurde, ist sie nach wie vor eines der wichtigsten Beispiele für modernistische Architektur in Polen und Europa. Trotz der Änderungen an einigen Gebäuden ist die Siedlung als Ganzes bis heute fast unversehrt geblieben (ein Haus Nr. 32/33 wurde abgerissen) und ist ein lebendiger Beweis dafür, wie moderne Architektur auf soziale Bedürfnisse reagieren kann.
WuWA war nicht nur ein vorbildlicher Versuch, Wohnungsprobleme zu lösen, sondern eröffnete auch neue Perspektiven für die Stadtgestaltung. Bis heute ist WuWA ein wichtiger Teil des kulturellen Erbes von Wrocław, und seine einzigartige Architektur zieht Architekten und Designliebhaber aus der ganzen Welt an.
Ein Fragment des Reihenhauses 9-22 im Jahr 1929 und 2013. Foto „Ausstellung des Breslauer Werkbunds WuWA 1929“, Jadwiga Urbanik – Museum für Architektur in Breslau, Breslau 2002 und SchiDD, CC BY-SA 4.0, über Wikimedia Commons
Quelle: wroclaw.pl, pdm.irmir.pl
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