Śniadeckich 23
Fot. whiteMAD/Mateusz Markowski

Śniadeckich 23 in Warschau – das beeindruckende Gebäude von Marian Kontkiewicz

Das Mietshaus an der Adresse Śniadeckich 23 in Warschau wurde 1913 für den Architekten Marian Kontkiewicz gebaut, der es selbst entworfen hat. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude beschädigt und sein hohes Mansarddach nie wieder aufgebaut. Im Jahr 1996 wurde die Fassade repariert und die Details und Balkone des Gebäudes wurden restauriert.

Marian Kontkiewicz stellte sich der schwierigen Aufgabe, ein Gebäude auf einem Grundstück mit einer besonderen Form zu errichten, das zwischen zwei anderen Mietshäusern liegt und zudem von zwei Straßen begrenzt wird. Der ursprüngliche Entwurf sah den Bau eines mehrstöckigen neobarocken Mietshauses mit einem hohen Erdgeschoss und einem Mansardendach im oberen Bereich vor.

23 Śniadeckich-Straße von der Nowowiejska-Straße aus gesehen. Foto: whiteMAD/Mateusz Markowski

Sowohl von der heutigen Nowowiejska-Straße (ehemals Sierpnia-Straße 6) als auch von der Śniadeckich-Straße (Kalikstra) aus betrachtet, wurde die Fassade des Mietshauses durch zahlreiche Ornamente mit Balkonen, die so lang wie das Gebäude selbst waren, gegliedert. Zu den architektonischen Details gehören auch bekrönende Gesimse, Blumengirlanden und Verzierungen mit Akanthusblattmotiven. An der Seite der Śniadeckich-Straße befindet sich eine Gedenktafel mit dem Namen des Architekten und dem Datum der Errichtung des Gebäudes. Bemerkenswert ist die Verzierung des Haupteingangs. Zwischen den beiden Hörnern des Überflusses ist der Kopf einer Frau platziert, deren Gesicht mit einer interessanten Geschichte verbunden ist.

Blick vom Polytechnischen Platz im Jahr 1939 und 2024. Quelle: National Heritage Institute und whiteMAD/Mateusz Markowski

Die Sniadeckich-Straße 23 im Jahr 1986 und heute. Quelle: National Heritage Institute und whiteMAD/Mateusz Markowski

Im Paris des 19. Jahrhunderts wurde die Leiche eines jungen Mädchens aus dem Wasser der Seine gezogen. Sie wurde öffentlich zur Schau gestellt, um die Identität der Verstorbenen zu ermitteln. Ihre Identität wurde jedoch nie geklärt. Der Legende nach war einer der Pathologen, die die Leiche untersuchten, von den Gesichtszügen der Frau so beeindruckt, dass er beschloss, einen Gipsabdruck von ihrem Gesicht anzufertigen. Die so entstandene Maske wurde so populär, dass bald Reproduktionen verkauft wurden. Das Gesicht des Mädchens wurde in ganz Europa zu einem der inoffiziellen Symbole von Paris. Jahre später, im Jahr 1957, beschloss man, eine Schaufensterpuppe anzufertigen, um die künstliche Beatmung zu lehren. Das Gesicht einer Fremden aus der Seine wurde als Modell ausgewählt. Seit 1960 wird “Rescue Anne” in der ganzen Welt eingesetzt, um die Herz-Lungen-Wiederbelebung zu lehren, was sie zum meistgeküssten Gesicht der Welt macht. Stanislaw Kontkiewicz – Marians Vater – brachte eine Reproduktion der Maske der berühmten Ertrunkenen von einem Urlaub in Frankreich im Jahr 1882 mit. Als der 28-jährige Marian sein Stadthaus entwarf, beschloss er, die Maske in seinen Entwurf aufzunehmen.

Śniadeckich-Straße 23, Blick von der Nowowiejska-Straße im Jahr 1986 und heute. Quelle: National Heritage Institute und whiteMAD/Mateusz Markowski



Śniadeckich-Straße 23, Blick von der Nowowiejska-Straße im Jahr 1983 und heute. Quelle: Begegnungen mit Denkmälern und whiteMAD/Mateusz Markowski

Der Haupteingang des Stadthauses wurde mit Marmor ausgekleidet und reich mit Stuckornamenten verziert. Dank dreier Spiegel wurde der Innenraum optisch vergrößert und ist sehr beeindruckend. Das Haupttreppenhaus hat eine dreieckige Form. In der Seele der Treppe befindet sich ein Aufzugsschacht. Der ursprüngliche Aufzug war trapezförmig, mit Mahagoni verkleidet und mit Kristallscheiben verglast. Leider ist er bis heute nicht erhalten geblieben. Die Stufen der Treppe waren mit Marmor ausgekleidet und einst mit einem roten Teppich bedeckt. Der Boden des Zwischengeschosses und der ersten Etage war dagegen mit einfachen beigen und grauen Fliesen ausgelegt. Alle Wohnungen waren mit Zentralheizung, Gasherd und einem separaten Bad und WC ausgestattet.

Der Eingang des Stadthauses im Jahr 1986 und heute. Quelle: Nationales Institut für Kulturerbe und whiteMAD/Mateusz Markowski



Einschusslöcher an der Fassade des Gebäudes in der Śniadeckich-Straße 23 im Jahr 1983 und heute. Quelle: Spotkanie z Zabytkami i whiteMAD/Mateusz Markowski

In den 1920er Jahren wurde das Mietshaus an Jozef Mineyko verkauft. Die Śniadeckich-Straße gehörte 63 Tage lang fast vollständig zu dem Gebiet, das von den Warschauer Aufständischen des 3. In den ersten Tagen des Aufstandes wurde direkt unter dem Wohnhaus eine Barrikade errichtet. Das Gebäude wurde mehrmals beschossen, woran die Fassade, die dicht mit Einschuss- und Granatsplittern übersät ist, seit Jahren erinnert. Nach der Kapitulation des Aufstandes begannen die Deutschen mit der Verwüstung des Gebietes. Das Kontkiewicz-Mietshaus wurde dabei teilweise zerstört.

Die Gedenktafel mit dem Namen des Autors im Jahr 1986 und heute. Quelle: Nationales Institut für Kulturerbe und whiteMAD/Mateusz Markowski

Fenster in der Nowowiejska-Straße 1986 und heute. Quelle: National Heritage Institute und whiteMAD/Mateusz Markowski

Als seine Bewohner 1945 nach Warschau zurückkehrten, fanden sie das Gebäude in einem beklagenswerten Zustand vor. Es hatte kein Mansardendach und die Decken bis zum dritten Stockwerk waren durchlöchert. Das Mietshaus wurde erfolgreich renoviert. Die eingestürzten Stockwerke auf der Seite der Nowowiejska-Straße wurden wieder aufgebaut und die durchlöcherten Decken repariert. Ein Teil der langen Balkone und das Mansardendach wurden jedoch aufgegeben.

In den späteren Nachkriegsjahren wurden in dem verstaatlichten Mietshaus eine Reihe ungünstiger Veränderungen vorgenommen, wie z. B. eine zweite Teilung der Räumlichkeiten, die Beseitigung einiger dekorativer Elemente im Inneren und des beeindruckenden Aufzugs. Von außen sind die ursprünglichen architektonischen Details erhalten geblieben, die man nach der Renovierung noch heute bewundern kann.

Quelle: fotografiawarszawy.com, discovercawarszawy.blogspot.com

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