Kamienica w 1912. Autor: Zdzisław Marcinkowski, Licencja: Public Domain

Der Charme des alten Warschaus – ein Mietshaus in der Trębacka-Straße 4

In der Trębacka-Straße 4 in Warschau, zwischen Krakowskie Przedmieście und dem Großen Theater, steht ein architektonisch eher schlichtes Gebäude. Nichts zeugt heute davon, was für ein prächtiges Gebäude es vor dem Zweiten Weltkrieg war. Es waren Gebäude wie dieses, die zu seinem Ruf als “Paris des Nordens” beitrugen, wie das Warschau der Vorkriegszeit manchmal genannt wird.

1886 wurde an der Stelle der abgerissenen Nebengebäude des Andrzeja-Palastes in der Trębacka-Straße ein Haus der Familie Scheibler – Verwandte des berühmten Lodzer Industriellen Karol Scheibler – errichtet.

Das heutige Mietshaus in der Trębacka-Straße 4. Fotoautor: Rado-NDM/photopolska.eu, Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Das Mietshaus wurde von bekannten Architekten der damaligen Zeit entworfen: Edward Lilpop und Jozef Pius Dziekoński, war riesig, denn es hatte eine Fassade von über 20 Achsen, die mit ihren drei Stockwerken und dem Dachgeschoss einen fast palastartigen Eindruck machte. Die Architekten gaben dem Gebäude ein eklektisches Gewand, indem sie verschiedene Motive aus der italienischen und deutschen Renaissance verwendeten. Die üppigen architektonischen Verzierungen aus hellem Putz heben sich von den bunten Backsteinwänden ab. Das gesamte Bauwerk wurde von einem imposanten gebrochenen Dach gekrönt, das mit Gauben, einem gusseisernen Dachfirst und drei Kuppeln verziert war. Die Fotos geben zwar nicht die Farben und die ganze Pracht wieder, aber sie bestätigen, dass das Gebäude atemberaubend war. Dies gilt umso mehr, als auf jedes Detail geachtet wurde. Władysław Wojtasiewicz war für die bildhauerischen Verzierungen in Form der Stuckarbeiten am Tor oder der Karyatiden, die die äußersten Risalite schmücken, verantwortlich. Auch die gusseisernen Elemente, die die Balkone schmücken, wurden bewundert.

Das Mietshaus im Jahr 1895 und heute. Quelle: bonczek_hydroforgroup/photopolska.eu und Google Maps

Das Mietshaus hatte im Erdgeschoss einige Geschäfte, von denen das größte natürlich das Warengeschäft von Scheibler war. Daneben befanden sich die Konditorei Riedl, das Papierlager von Wattson und die Internationale Bank. Obwohl das Mietshaus stark beschädigt wurde und 1939 ausbrannte, blieb es bis in die 1950er Jahre als Teilruine erhalten. Danach wurde es zu einem zweistöckigen Gebäude umgebaut, in dem Büros untergebracht sind. Der reiche Fassadendekor wurde jedoch durch eine eintönige Fassade ersetzt, so dass man heute kaum noch glauben kann, dass es sich um das ehemalige Scheibler-Haus handelt. Im Jahr 1994 wurde das Gebäude um ein Stockwerk aufgestockt, wodurch es fast seine ursprüngliche Höhe erreichte. Heute beherbergt es die nationale Handelskammer.

Quelle: Warschau ohne Geheimnisse

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