Das modernistische Mietshaus in der Grzybowska-Straße 73 in Warschau wurde zwischen 1935 und 1937 nach Plänen von Szymon Syrkus errichtet. Das Gebäude überstand den Zweiten Weltkrieg und diente den Bewohnern der Hauptstadt noch jahrzehntelang. Vor einigen Jahren wurde das privatisierte Gebäude von Ghelamco gekauft. Derzeit wird das Gebäude als technischer Stützpunkt für das Bauteam des benachbarten Wolkenkratzers The Bridge genutzt, und im Inneren riecht es nach Leere. Der Investor hat jedoch konkrete und vielversprechende Pläne für das Gebäude.
Das Gebäude wurde in den 1930er Jahren für die Firma Hurewicz und S-ka errichtet, die hier eine Werkstatt für Grafikdesign betrieb. Dies war die Zeit des großen modernistischen Baubooms in der Hauptstadt. Der Entwurf des Hauses stammt von Szymon Syrkus, einem landesweit bekannten Architekten, der viele repräsentative Villen, z. B. in Saska Kępa, oder Wohnsiedlungen, z. B. in Łódź, entworfen hat und Mitbegründer der Avantgardegruppen Blok und Praesens war. Das Mietshaus in der Grzybowska-Straße 73 war kein gewöhnliches Mietshaus, sondern ein Gebäude mit gehobenem Standard, in dem sich nur die wohlhabenderen Bewohner der Hauptstadt eine Wohnung leisten konnten.
Das Mietshaus im Jahr 2016. Bildnachweis: mamik/photopolska.eu, Lizenz: CC-BY-SA 3.0
Vor dem Krieg waren die Räumlichkeiten an die Zentralheizung angeschlossen, verfügten über alle Annehmlichkeiten und sogenannte Dienstboten, und das Mietshaus hatte einen Aufzug mit einer stilvollen Tür. Die Fassade des Gebäudes ist purer Funktionalismus. Das Untergeschoss war mit braunem Klinker verkleidet, der mit dem hellen Putz der oberen Stockwerke kontrastierte. Die Leichtigkeit der gesamten Struktur wurde durch lange Fensterbänder erzeugt, die in der Mitte durch einen schmalen Schlitz eines Thermometerfensters unterbrochen wurden und das Treppenhaus mit Licht versorgten. Das Mietshaus in der Grzybowska-Straße 73 war jahrelang vernachlässigt worden. Als in der Nachbarschaft mit dem Bau des Wolkenkratzers „The Bridge“ begonnen wurde, wurde fast das gesamte Innere des Gebäudes, in dem keine Mieter mehr wohnten, abgerissen. Von dem ehemals eleganten Mietshaus blieben nur das Treppenhaus und die Außenwände übrig. Im Rahmen der Arbeiten wurde eine spezielle Stahlkonstruktion installiert, um die noch vorhandenen Wände zu stützen und sie vor dem Einsturz zu schützen. Da das Gebäude im städtischen Denkmalschutzregister eingetragen ist, wurden die Innenräume nicht geschützt. Sie verschwanden in Übereinstimmung mit dem Gesetz.
Die Grzybowska-Straße 73 im Jahr 2012 und heute. Fotograf: mamik/fotopolska.eu, Lizenz: CC BY-SA 4.0 und whiteMAD/Mateusz Markowski
Nach Angaben des Bauträgers gibt es konkrete Pläne für die Zukunft des Stadthauses. Das Gebäude wird umgebaut und soll wieder in seinem alten Glanz erstrahlen – gemäß den Richtlinien des Landeskonservators. Die Fassade im Erdgeschoss wird mit Terrakottafliesen in einem dunklen Kirschbraun verkleidet, wie es für viele andere architektonische Bauten dieser Zeit charakteristisch ist. Im Obergeschoss hingegen werden ein mit Flusssand verputzter Putz und die Holzverschalung der breiten Fensterbänder verwendet. Es werden auch Elemente hinzugefügt, die vorher nicht vorhanden waren, darunter eine Tiefgarage und Lagerräume sowie eine kleine, aber elegante Eingangshalle. Im Erdgeschoss des Gebäudes wird es eine Serviceeinheit mit einem Eingang von der Grzybowska-Straße und vom Europaplatz aus geben.
Die umfangreichen Bauarbeiten im Inneren des Mietshauses sind auf den technischen Zustand des Gebäudes zurückzuführen, das seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden war. Die Innenausstattung war in einem katastrophalen Zustand, so dass beschlossen wurde, sie zu entfernen. Der Investor versichert, dass das Mietshaus an die höchsten zeitgemäßen Wohnstandards angepasst wird und nach Abschluss der Arbeiten ein Dutzend hochwertiger Wohnungen zur Verfügung stehen werden. An dem Projekt arbeitet dasselbe Studio, das auch an den laufenden Investitionen nebenan beteiligt ist – dem Bau des Wolkenkratzers „The Bridge“ und der Renovierung von „Bellona“ -, nämlich das polnisch-belgische Architekturstudio PROJEKT, das Erfahrung mit Renovierungen und Rekonstruktionen historischer Gebäude hat.
Grzybowska 73 im Jahr 2021 und heute. Bildnachweis: mamik/fotopolska.eu, Lizenz: CC BY-SA 4.0 und whiteMAD/Mateusz Markowski
Die Arbeiten an der Renovierung des Mietshauses werden voraussichtlich Ende des ersten/Anfang des zweiten Quartals nächsten Jahres abgeschlossen sein, zeitgleich mit der Fertigstellung der Brücke und der Neugestaltung der Grzybowska-Straße, die zu einer stadtfreundlichen Straße mit breiten Bürgersteigen, einem Radweg und mehr Grün werden soll.
So wird das Mietshaus in der Grzybowska-Straße 73 trotz erheblicher Eingriffe in sein Inneres bald wieder in altem Glanz erstrahlen und neue Mieter willkommen heißen. Wir warten auf die ersten Visualisierungen, die zur Zeit erstellt werden.
Quelle: Ghelamco, miastarytm.pl, Stein und was? Wir retten die Denkmäler von Warschau
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