Kamienica Gurewicza

Gurewicz-Mietshaus in Warschau. Das Gebäude blieb als eines der wenigen in der Chłodna-Straße erhalten

Der Warschauer Stadtteil Mirów war vor 1939 weitgehend von Juden bewohnt. Von November 1940 bis August 1942 befand es sich größtenteils innerhalb des Ghettos. Die Gebäude der Siedlung wurden während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört. Bis heute sind kleine Fragmente von Vierteln und isolierte Außenposten erhalten geblieben. Eines davon ist das Gurewicz-Mietshaus in der Chłodna-Straße 41. Das Gebäude wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Während des Warschauer Aufstands wurde es niedergebrannt, aber nach dem Krieg wurde es als für den Wiederaufbau geeignet eingestuft. Heute steht es allein inmitten neuerer und höherer Architektur und wartet auf seine Renovierung.

Das sechsstöckige Haus wurde zwischen 1912 und 1913 erbaut, wobei die Quellen verschiedene Besitzer angeben, aber wie Piotr Kilanowski in seiner Doktorarbeit feststellte, wurde das Gebäude von Maksymilian Gurewicz errichtet. Das Gebäude bestand aus einem Vorderhaus und zwei seitlichen Nebengebäuden. Das Mietshaus bildete einen einzigen halboffenen Innenhof. Alle Räume im Erdgeschoss hatten einen Handels- und Dienstleistungscharakter, während sich die Durchfahrt in der zweiten Achse befand. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss waren mit getäfelter Rustika verziert. In den oberen Stockwerken wurden Stuckdetails wie Masken und Girlanden in den Unterfenstern angebracht.

Das Mietshaus von Gurewicz heute. Foto: whiteMAD/Mateusz Markowski

Die beeindruckende Fassade in Höhe des zweiten Stocks war mit Erkern verziert. Die darin befindlichen Fenster zeichneten sich durch einen halbrunden Abschluss aus. Über dem obersten Stockwerk befand sich ein Gesims, das in einen halbrunden Giebel überging. Die erste und die sechste Achse hatten die Form einer Mansarde. Die Tordurchfahrt war mit keramischen Fußböden ausgelegt, und die Haupttreppe war mit schmiedeeisernen Balustraden und Terrazzoböden verziert. Die Podeste waren mit dekorativem Terrakotta-Bodenbelag versehen. Die seitlichen Nebengebäude waren wesentlich bescheidener. Sie waren mit einem Treppenhaus mit Holztreppe ausgestattet.

Das Mietshaus in den Jahren 1938 und 2024. Foto: Staatsarchiv in Warschau und whiteMAD/Mateusz Markowski

Das Gebäude wurde später an die Aktiengesellschaft der Lampenfabrik – Gebrüder Brunner Schneider und R. Ditmar – verkauft. Die Fabrik produzierte Petroleumlampen, Gaslampen, elektrische Lampen, Brenner und verschiedene Arten von Gasherden und Kochern sowie Produkte aus Aluminium und anderen Metallen. Die Fabrik befand sich auf dem Grundstück mit der Nummer Chlodna 43. Im Jahr 1929 ging die Fabrik in den Besitz der Firma Metallamp über. In der Zwischenkriegszeit und während der Krise auf dem heimischen Markt war das Unternehmen ein bescheidener Lieferant von Dienstlampen für Polizei, Armee und Eisenbahn.

Das Jahr 1941, Tor 2 zum Warschauer Ghetto und derselbe Ort wie heute. Rechts das Gebäude in der Chłodna-Straße 41. Foto: Central Judaica Database http://judaika.polin.pl/dmuseion und whiteMAD/Mateusz Markowski

Im Jahr 1939 gehörte das Grundstück Sarah Erlich. Vor dem Krieg befand sich in dem Mietshaus im Erdgeschoss der “Share Sugar Shop”, ein von Jan Kwapisz betriebenes Geschäft für Fahrräder und Fahrradteile sowie der Sitz des Arbeitersportvereins Przedświt. Vom 16. November 1940 bis November 1941 befand sich das Tor Nr. 2 des Warschauer Ghettos neben dem Gebäude. Die Grenze des abgetrennten Bereichs wurde mit den Mauern des Grundstücks entlang der Wronia-Straße gezogen. Im Dezember 1941 wurde das gesamte Gebiet westlich der Żelazna-Straße aus dem Ghetto ausgeschlossen. Daran erinnern eine Tafel an der Fassade des Gebäudes und der im Bürgersteig eingezeichnete Umriss der Mauer.

28. April 1965 und 2024, Perspektive der Chłodna-Straße – Blick von der Towarowa-Straße. In der Mitte steht das Gurewicz-Mietshaus. Foto: NAC – Nationales Digitales Archiv www.nac.gov.pl/ und whiteMAD/Mateusz Markowski



Während des Warschauer Aufstands wurde das Wohnhaus beschädigt und brannte nieder. Dank seiner feuerfesten Decken konnte es jedoch vom Büro für den Wiederaufbau des Kapitals wieder aufgebaut werden. Es blieb als eines der wenigen Vorkriegsgebäude in der Chłodna-Straße erhalten. Heute unterscheidet sich sein äußeres Erscheinungsbild von dem des Originals. Nach dem Krieg wurde das Gebäude um ein Stockwerk abgesenkt, es hat nicht mehr den charakteristischen halbrunden Giebel und ein Dachgeschoss im gebrochenen Dach. Auch der gesamte Fassadendekor wurde entfernt und glatt verputzt. Glücklicherweise sind die schmiedeeisernen Balustraden der Balkone und ein Teil der Innendekoration erhalten geblieben. In der Chłodna-Straße vor dem Gebäude kann man noch eine gepflasterte Straße mit alten Straßenbahnschienen sehen, die seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt werden.

Um das Mietshaus herum wurden und werden immer noch neue Gebäude errichtet. Das historische Wahrzeichen wartet darauf, renoviert zu werden und in seinem alten Glanz zu erstrahlen. Glücklicherweise ist es nicht verlassen, und das gibt Hoffnung.

Quelle: warszemuzik.org

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